Mythor - 103 - Meuterei auf der Luscuma
mich mit ihrer Magie anzog. Und so fuhr ich in den Schattenwal, der das Schiff am Endpunkt des Wirbels in sich aufsog. Das Schiff, auf dem die beiden sich befinden.
Näher konnte ich sie kaum noch haben. Und ich fühlte, daß sie meine Nähe spürten, und weidete mich an ihrer Qual. Ich brauchte nur noch abzuwarten. Der Schattenwal war unter meiner Kontrolle. Er war ich, und ich war er. Und ich dachte gar nicht daran, das Schiff mit Mann und Maus zu verdauen. Ich wartete den geeigneten Moment zum Zuschlagen ab.
In dem Augenblick, in dem sie sich gerettet glaubten, wollte ich zupacken und Fronja übernehmen – und über sie später auch Mythor. Damit, glaubte ich, würde ich die Aufgabe erfüllen, für die ich von den Dämonen bei der Schlacht von Dhuannin erschaffen worden war.
Aber dann kam der Nackenschlag.
Die Dämonen haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie müssen ihre Pläne radikal geändert haben. Sie rissen mit einem Felsbrocken den Körper des Schattenwals – meinen Körper – auf und entrissen mir das Schiff mit meinen Opfern!
Ich weiß jetzt, was gespielt wird.
Sie nehmen keine Rücksicht mehr. Sie wollen Mythor und Fronja vernichten. Meine Wünsche, meine Pläne, meine Sehnsüchte – sie spielen keine Rolle mehr. Ich bin für sie unwichtig geworden. War ich überhaupt jemals wichtig? Ich war kaum mehr als ein Werkzeug in ihren Schattenklauen.
Aahh, ich rase! Ich tobe! Der Zorn frist mich schier auf. Sic haben mich einfach beiseite gewischt! Ich bedeute ihnen nichts! Wie leicht hatten sie mich töten können, wenn der nadelscharfe Felsen den Wal an einer anderen Stelle seines Körpers getroffen hätte!
Doch was wissen sie schon von mir?
Ich aber weiß jetzt, was ich von ihnen zu halten habe, von den Dämonen, meinen Schöpfern und Herren.
Sie sind es nicht mehr.
Fortan werde ich nur noch an mein eigenes Wohlergehen denken. Sollen sie zusehen, wer in Zukunft die Dreckarbeit für sie macht. Ich nicht!
Ich entwickele meine eigenen Pläne. Was ich will, bekomme ich auf irgendeine Weise immer. Und ich will einen Körper, in dem ich leben kann. Auch, wenn es nicht Fronja oder Mythor ist, die sterben müssen, weil die Dämonen keine Rücksicht mehr kennen und sie nun nicht mehr nur unter ihrer Kontrolle sehen wollen, sondern sie vernichten werden.
Einen Körper, um zu leben.
Im Schattenwal kann ich es nicht länger.
Ich fahre aus ihm aus, und er verendet. Ich aber existiere noch, jetzt frei von allen Zwängen und nur noch meinem eigenen Willen unterworfen.
Ich, der Deddeth.
3.
»Warum startet sie nicht, verdammt?« keuchte Burra und jagte einen weiteren Pfeil von der Sehne. Befriedigt sah sie, wie einer der anstürmenden Shrouks zurückgeschleudert wurde. Mit kaum wahrnehmbar schnellen Bewegungen riß sie einen neuen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn auf, spannte die Sehne bis hinter das Ohr und ließ los. Wieder jagte der Pfeil sirrend davon.
Mythor drehte den Kopf. Auch er hatte einen Bogen ergriffen. Immer wieder mußte er selbst den Kopf zurücknehmen. Die Shrouks handelten nach einem sorgfältig ausgeklügelten Plan. Dafür, daß sie keinen eigenen Verstand besaßen, hatte jener, der sie aussandte, sorgfältig nachgedacht. Die Bogenschützen deckten die Luscuma und ihre Verteidigerinnen mit einem Pfeilhagel ein. Die Amazonen, die ihrerseits versuchten, die Anstürmenden aufzuhalten, spielten mit ihrem Leben, zumal ihre Bogen nicht so weit trugen wie die der Dämonensklaven.
Der Ballon über der schiffsförmigenGondel der Luscuma war nach wie vor voll aufgebläht. »In der Tat«, murmelte Mythor. »Sie könnte starten. Warum tut sie es nicht?«
»Vielleicht«, knurrte Burra ergrimmt, »wartet diese närrische Hexe darauf, daß die lächerlichen Schäden am Kiel geflickt werden! Man sollte die Galionsfigur kappen!«
In gewisser Hinsicht war Mythor ihrer Meinung. Mehr als einmal hatte Luscuma sie alle in eine gefährliche Lage gebracht. So, als sie im Tiefflug über das Land der Wilden Männer glitt… Siebentag, der geheimnisvolle Kannibale, war eine der Erinnerungen an diese Episode. Damals, als Luscuma zum ersten Mal in der Schattenzone war, mußte sie einen nicht unerheblichen geistigen Schaden davongetragen haben. Und je länger sie sich jetzt hier aufhielten, desto stärker verwirrte sich ihr angegriffener Geist.
Nur ein Blitzstart konnte sie jetzt noch retten.
Die Shrouks kamen immer näher heran. Und jetzt, da die Verteidigung sich auf diese eine Seite
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