Mythor - 103 - Meuterei auf der Luscuma
die Wetterhexe, deren Geist entartet war, stand auf Lexas Seite.
Mit Sicherheit.
Der Gorganer sah sich um. Ringsum wetterleuchtete die Schattenzone. Seltsame Phänomene zeigten sich in weiter Entfernung. Düstere Nebelschleier zogen sich entlang.
Von backbord tauchte Gerrek auf. Der Beuteldrache rieb sich die Hände mit den krallenbewehrten Fingern. »Denen habe ich’s aber gegeben«, sagte er. »Hast du es gesehen, Mythor? Die Shrouks werden zeitlebens zittern, wenn sie sich an den tapfersten aller Beuteldrachen erinnern…«
Er hielt inne. »Was ist los, Mythor? Du lachst ja gar nicht?«
Mythor bewegte kaum merklich die Schultern. Er konnte nicht lachen. Er dachte an Fronja, die unten in ihrer Kammer wartete. Und er dachte daran, daß überall Dämonen lauern konnten. Hier, in der Schattenzone, war ihr Herrschaftsbereich. Hier besaßen sie die Macht. Hier war alles anders.
Anders als in Gorgan, wo sie sich der Caer-Priester und des magischen Bollwerks STONG-NIL-LUMEN bedienen mußten, um Macht zu gewinnen. Anders als in Vanga, wo es ihnen fast unmöglich war, die magische Barriere in der Dämmerzone zu durchschlagen.
Hier war es genau umgekehrt. Hier waren die Menschen fremd.
Und was noch schlimmer war: Die Menschen selbst waren einander fremd! Lexa, die ihrer Zaubermutter treu ergeben war – was wußte sie denn von den weitgesteckten Zielen, die Mythor und vielleicht auch Burra verfolgten?
Sie konnte doch nichts wissen!
Denn selbst Zaem wußte doch nichts. Selbst Zaem dachte nur engstirnig an ihre eigene Macht, an ihr eigenes Wohl. Was mochte jetzt in Fanga geschehen?
Jetzt lachte er doch leise, aber es war ein bitteres Lachen. Wie oft hatte er sich damals in den ersten Tagen in Vanga gefragt, was wohl jetzt in Gorgan, der Nordwelt, geschehen mochte. Und wie oft würde er sich jetzt wohl fragen, was in Vanga geschah?
Beide Welthälften waren jetzt so nah und doch so fern. Er befand sich zwischen ihnen.
In der Schattenzone.
Und in der Gefahr.
Und vorn, nahe der Galionsfigur, kauerte Robbin. Der Gummimensch sah eigenartig verbogen aus, und er schien sich auch jetzt noch mit der Galionsfigur zu unterhalten. Offenbar gab er den Kurs an, den die Hexe einschlug.
Aber was mochte das für ein Kurs sein? Wohin führte er?
Langsam schritt Mythor über die knarrenden Planken nach vorn. Von oben her kam ein eigenartiges Heulen, das ihn frösteln ließ. Der längliche Ballon durchpflügte ein Gebilde der Schattenzone, das ungreifbar war, sich aber dennoch bemerkbar machte. Das Luftschiff verlangsamte seine Geschwindigkeit weiter.
Mythor sah, daß Robbin heftig gestikulierte, und hörte seine Stimme. Der Pfader redete auf die Steuerhexe ein. Luscumas Antworten waren nicht zu vernehmen. Offenbar teilte sie sich zur Zeit nur dem Pfader mit.
Gerrek tappte hinter Mythor her. Wo Burra war, wußte Mythor nicht. Vielleicht war sie irgendwo unter Deck, um sich tatkräftig an den Aufräumarbeiten zu beteiligen. Der Sohn des Kometen verzichtete darauf, sich Gedanken über die Beschädigungen im Kielbereich zu machen. Solange die Luscuma noch in der Lage war, sich zu bewegen, war alles gut.
»Nein! Du bist närrisch«, schrie Robbin in diesem Moment und stampfte heftig mit dem Fuß auf. »Ich bestimme den Kurs! Ich kenne die Schattenzone! Du folgst meinen Anweisungen!«
Plötzlich taumelte er. Hatte die Hexe ihn mit ihrer Magie angegriffen? Das eröffnete völlig neue Möglichkeiten. Bisher hatte Mythor angenommen, daß Luscumas Kräfte sich auf das Lenken des Schiffes beschränkten und darüber hinaus keine Macht besaßen.
Mythor fing den stolpernden Robbin auf. Wiederum hatte er den Eindruck, ein lebendes Stück Gummi in der Hand zu halten. »Was ist los?«
»Sie sperrt sich«, schimpfte Robbin sichtlich verärgert. »Sie will jetzt ihren eigenen Kopf durchsetzen und nicht mehr meinen Kursanweisungen folgen. Sie glaubt, sie kenne die Schattenzone auch und will so schnell wie möglich dafür sorgen, daß Zaems Auftrag erfüllt wird.«
»Das heißt, daß sie keine Anweisungen mehr annimmt?«
Robbin nickte.
»Ich glaube, ich muß dieser Hexe mal ein wenig Dampf machen«, sagte Gerrek und beugte sich weit nach vorn. Mit ein wenig Glück und gutem Atem konnte es ihm gelingen, mit seinem Feuer die Galionsfigur anzusengen.
»Laß den Unsinn«, warnte Mythor. »Ich bin sicher, daß Luscuma nicht mehr so recht weiß, was sie tut. Ich zweifle sogar daran, daß sie noch fähig ist, das Schiff zu lenken.«
Ich bin das
Weitere Kostenlose Bücher