Mythor - 112 - Der magische Bann
Wabenbau. Wenn sie ihm zu nahe kamen, tauchten in den Öffnungen Quaamen auf und nahmen drohende Haltung ein. Als eines der Tiere Burra zu nahe kam, tötete sie es mit einem Schwertstreich. Sofort tauchten zwei Tiere aus einer Wabe auf und zerrten die tote Artgenossin in den Bau. Sonst passierte nichts.
An Stelle der mächtigen Tropfsteine standen nun verwitterte und mit verschiedenartigen Ablagerungen behaftete Statuen. Die meisten von ihnen stellten Ungeheuer und Scheusale dar, die Gerrek unbekannt waren und deren Bekanntschaft er auch gar nicht machen wollte. Aber er entdeckte auch einen Yacubus und einen Alb. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, daß alle diese Statuen mit seltsamen Gegenständen behangen und daß an manchen Stellen Knotenschnüre um sie gebunden waren.
»Was hat das zu bedeuten?« erkundigte er sich so laut, daß die hinter ihm Kommenden es hören konnten.
Robbin und der Kleine Nadomir, die sich in dieser Gruppe befanden, besahen sich die Sache näher. Schließlich sagte Robbin:
»Es handelt sich um magische Bindungen – um Fesseln, die diese Geschöpfe an ihren Platz bannen sollen.«
»Es wäre möglich, daß sie lebendig werden, wenn man die magischen Fesseln entfernt«, fügte der Kleine Nadomir hinzu. »Rührt also nicht daran.«
Gerrek machte, daß er weiter kam, um Mythor nicht aus den Augen zu verlieren. Er sah ihn, wie er gerade hinter einer besonders abscheulichen Statue nach rechts verschwand.
Das dargestellte Ungeheuer war doppelt so groß wie Gerrek. Es hatte einen gepanzerten Körper, vier lange Arme und ebensolche Beine. Dazu einen langgestreckten Schädel, der nur dazu da zu sein schien, das armlange, mörderische Gebiß zu beherbergen. Gerrek stellte gerade noch schaudernd fest, daß dieses Untier weder mit Fetischen behangen war, noch magische Bindungen aufwies – da setzte es sich auf einmal ächzend in Bewegung.
Seine dünnen, spinnenähnlichen Gliedmaßen begannen hektisch zu zucken, als strecke es sich nach einem langen Schlaf. Dann beugte es sich zurück, riß das Maul auf und stieß ein furchtbares Brüllen aus.
Gerrek wandte sich panikartig zur Flucht.
Da sah er den Jungen. Er war ungefähr aasengroß und womöglich noch zartgliedriger als ein Aase. Aber er war ein normales Menschenkind und stach nur durch sein sommersprossiges Gesicht und den roten Haarschopf hervor.
Und er winkte Gerrek. Als der Schrei des Untiers verklang, hörte er ihn rufen:
»Hierher. Ich bringe dich in ein sicheres Versteck.«
Gerrek wurde erst später bewußt, daß der Junge sich der Sprache Gorgans bediente. Im Augenblick war er zu sehr damit beschäftigt, außer Reichweite des Ungeheuers zu gelangen, und folgte daher dem Jungen bedenkenlos. Er hatte ihn mit einigen Sätzen eingeholt und lief neben ihm her.
»Wer bist du und wie kommst du hierher?« erkundigte sich Gerrek.
»Anstatt dumme Fragen zu stellen, könntest du mich tragen«, sagte der Junge. »Dann kämen wir rascher vorwärts. Ich zeige dir die Richtung.«
Gerrek hob den Jungen hoch und trug ihn in den Armen. Er war federleicht.
»Da hinein«, sagte der Junge und deutete auf eine Wabe. Gerrek mußte sich bücken, um eindringen zu können. »Du kannst mich absetzen. Hier sind wir vorerst sicher.«
Gerrek blickte durch die Wabe zurück und sah, wie das wild um sich schlagende Untier von einigen Pfeilen getroffen wurde. Dann schnappte es mit seinem riesigen Maul nach etwas. Es bekam aber nur eine Tropfsteinnadel zwischen die Zähne und brach diese scheinbar mühelos ab.
Gerrek wandte sich wieder dem Jungen zu, der sich wie schutzsuchend an ihn gedrängt hatte.
»Befinden wir uns nicht im Bau der Quaamen?« fragte er in plötzlicher Erkenntnis.
»Von denen droht keine Gefahr«, sagte der Junge grinsend. »Die Quaamen sind leicht zu täuschen. Wir brauchten nur einige Zonen ihres Baues mit fremden Duftstoffen zu bestreichen, so daß sie sie fortan meiden.«
»Wer ist wir?« fragte Gerrek. »Gehörst du etwa zu jenen, die unseren Yarl abgeschossen haben?«
Der Junge nickte.
»Wir sind die Söldner des Nykeriers. Ich heiße Joby und stamme aus Anagon, der Stadt der Meisterdiebe.«
»Ist der Nykerier euer Dämon?« erkundigte sich Gerrek mißtrauisch. Nach allem, was vorgefallen war, hätte er den Jungen eigentlich als Feind einstufen müssen. Aber ein Blick in sein unschuldiges Gesicht, und er schämte sich solcher Überlegungen.
»Nein, du bist nicht dämonisiert«, stellte Gerrek fest, als ihn der Junge nur
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