Mythor - 117 - Herrscher im Unsichtbaren
einem Weib.«
»Ich bleibe hier stehen«, verkündete Fronja. Sie kraulte dem Bärenköpfigen den Schädel, auch hinter den Ohren.
Im nächsten Augenblick zuckte sie zusammen. Ihre Augen wurden groß und weit, ihr Mund öffnete sich.
»Mythor!«
8.
Bastraph sah, wie Orphal erschrak. Er spürte sein Herz sehr schnell schlagen. Etwas in ihm sagte ihm, daß der Augenblick der Entscheidung gekommen war.
Was sich nach Fronjas Aufschrei vollzog, spielte sich in wenigen Augenblicken ab, und mit ungeheurer Deutlichkeit prägten sich die Einzelheiten in Bastraphs Hirn ein.
Er sah die aufschießende Wut in Orphals Gesicht. Er sah, wie die Gesichtszüge Mythors einen Herzschlag lang Erleichterung zeigten, dann Erschrecken und nicht viel später wilde Entschlossenheit.
Bastraph sah, wie sich die Bestien in Bewegung setzten. Orphal schwang den rechten Arm mit dem Speer zurück, während Mythor mit ungeheurer Geschwindigkeit sein Schwert zückte. Die Klinge war kaum aus der Scheide, als Orphals Arm auch schon nach vorn schnellte, der Speer raste auf sein Ziel zu – er mußte entweder Fronja oder den Bärenköpfigen unfehlbar treffen. Ein harter Schlag, Metall auf Metall, klirrte durch den Raum, eine Winzigkeit danach schlug der Speer weit neben dem Ziel ins Gebälk.
»Kerl, was wagst du!«
Orphal schrie vor Wut, das Gesicht gerötet, die Hände zu Fäusten geballt.
Er verharrte nicht lange so, denn mittlerweile hatte Mythor das Schwert gegen ihn erhoben.
»Zurück, Orphal!« rief Mythor. »Ein Schritt noch, und du bist des Todes!«
»Hund, dafür wirst du mir büßen!« schrie Orphal mit sich überschlagender Stimme. »Packt den Kerl und die Tiere auch. Sie könnt ihr töten, aber ihn will ich lebend!«
Bastraph spürte, wie Hiide sich neben ihn schob.
»Was willst du tun?«
»Vorläufig abwarten«, gab Bastraph schnell zurück. »Aber versuche, uns Waffen und Pferde zu besorgen. Spute dich!«
Hiide verschwand. Währenddessen hatten sich die Tiere bei Fronja und Mythor eingefunden. Die anderen Gäste des Herrschers wirbelten aufgescheucht durcheinander. Gewöhnt, am Mittagstisch eine weit gefährlichere Klinge zu schlagen als auf dem Schlachtfeld, suchten sie ihr Heil in der Flucht und prallten dabei auf Orphals Kriegsknechte, die in den Saal zu stürmen versuchten. In diesem Durcheinander behinderten sie sich wechselseitig bis zur völligen Wirkungslosigkeit.
»Wer bist du?« fragte Fronja den jungen Mann neben ihr.
»Gerrek«, antwortete der. »Und dies sind Mythor und die anderen Freunde. Wir sollten zusehen, daß wir von hier verschwinden.«
»Auf den Hof!« ließ sich Mythor vernehmen. »Aber zuvor will ich mir diesen Burschen kaufen!«
Orphal hatte schon die Beine in die Hand genommen. Das kostbare Wickeltuch glitt ihm von den Lenden, er wäre fast gestolpert. Nur mit seinen kostbaren Sandalen bekleidet, angstzitternd auf der Flucht, den Körper beschmiert mit Essensresten und Weintropfen, bot er einen Anblick, den Bastraph niemals vergessen würde.
Mythor – Bastraph hatte inzwischen die Zusammenhänge wenigstens erahnt – setzte Orphal nach. Der Herrscher des Reiches Nebenan versuchte ihn zu hindern, indem er Liegen und Tische umwarf, aber deren Holz zerspellte unter Mythors wuchtigen Hieben.
»Mach ihn nieder, Bastraph!« schrie Orphal, sobald er seinen Diener sah. »Jage ihm ein Schwert in den Körper!«
»Woher nehmen?« fragte Bastraph zurück. »Sieh zu, daß du dich verbirgst, Orphal, und waffnest.«
Orphal hastete angstschlotternd weiter. Bastraph baute sich vor dem heranstürmenden Mythor auf und hob die Hände.
»Aus dem Weg!« knurrte Mythor, der erkannt hatte, daß sein Widersacher unbewaffnet war.
»Flieht!« sagte Bastraph halblaut. »Ich werde Orphals Verfolgung behindern. Du verlierst nur Zeit, wenn du ihm nachjagst. Los, beeile dich, seine Krieger werden dir bald auf den Pelz rücken.«
Mythor zögerte, dann kehrte er um.
In vollem Lauf stürmte er durch die Halle und warf seinen gewaltigen Körper gegen das Portal. Knirschend und ächzend ging die Pforte aus den Fugen und stürzte schließlich um. Währenddessen hatte Gerrek einen Satz gemacht, der ihn zu den Bronzebecken führte, in denen noch immer der Schnaps verbrannte. Ein kräftiger Zug mit beiden Armen, dann ergoß sich die brennende Flüssigkeit in den Saal. Ein Speer, nach Gerrek geschleudert, klirrte gegen die Bronze und flog in anderer Richtung weiter.
In rasender Eile breitete sich das Feuer aus. Es fand
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