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Mythor - 119 - Das sterbende Land

Mythor - 119 - Das sterbende Land

Titel: Mythor - 119 - Das sterbende Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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entstand förmlich aus dem Nichts. Ihr zehn Schritt langer Körper zuckte wie unter unsichtbaren Schlägen.
    »Haltet ein, ich bin eurem Ruf gefolgt!« zischte sie. »Wollt ihr mich unnötig quälen? Sag schon, was du begehrst, Mythor, aber befehle diesem Gnomen, daß er mich in Frieden läßt.«
    Der Kleine Nadomir rückte die Pyramidenkristalle wieder etwas auseinander, bis sich die Schlange des Bösen beruhigt hatte.
*
    Irgendwo auf dem Dach der Schattenzone, eingehüllt in eine gigantische Wolke aus Gift, befand sich die Galerie der Dämonen. In unendlicher Reihe standen sie hier, Legionen erstarrter, ängstlich verhüllter Dämonengestalten, bis zur Unkenntlichkeit vermummt, auf daß keiner ihr wahres Aussehen erkennen konnte.
    Mit ihren Geistern waren sie weit fort, in den fernsten Landen der Lichtwelt, wo sie von den Körpern ihrer zahllosen Opfer Besitz ergriffen hatten. Manchmal bewegten sich die Dämonen wie in einer Art Reflex, oder sie erschauerten, als überkomme sie ein wonniges Frösteln. Es kam auch vor, daß sich ein Laut aus einem der verhüllten Münder löste, daß sie ihre Glieder streckten, sie ächzten oder stöhnten, als wollten sie aus einem Traum erwachen. Doch kam nur für kurze Zeit Bewegung in sie, für Momente, in denen sie sich sammelten, von einem Opfer auf das andere überwechselten und ihre Geister die Körper spontan belebten. Aber wirklich kehrten sie nicht zurück, sie blieben in der Lichtwelt, um dort zu herrschen und zu befehlen, um der Finsternis zum Sieg zu verhelfen.
    Nur eine einzelne Gestalt bewegte sich mit lauernder Grazie durch die endlos scheinende Galerie, vorbei an erstarrten Dämonen ohne Zahl.
    Es war Darkon, der Herr der Finsternis.
    Es war noch nicht lange her, daß er in die Tiefe der Schattenzone hinuntergestiegen war, um Nachschau zu halten, wie die Schlange Yhr die Situation meisterte. Er hatte dafür den Körper eines Sithen benutzt, eines jener Mischwesen, halb Mensch, halb bocksbeiniges Tier. Und was er gesehen hatte, behagte ihm gar nicht.
    Er hatte die Schlange Yhr gewarnt, daß sie in den Bewohnern von Carlumen ihre Meister finden könnte. Und so war es auch gekommen. Nun hatte sie sich selbst in den Knoten ihres Körpers verstrickt, der sich durch viele Bereiche wand. Sollte sie selbst sehen, wie sie sich aus dieser mißlichen Lage befreien konnte. Wäre es nur darum gegangen, der Herr der Finsternis hätte keinen weiteren Gedanken daran verschwendet.
    Aber es stand noch viel mehr auf dem Spiel. Darkon war nach dem Mißgeschick, das der mächtigsten Schlange des Bösen widerfahren war, in großer Sorge, daß dieser Emporkömmling Mythor noch weitere Scharmützel für sich entscheiden könnte. Und das war nicht gut für die Pläne des Herrn der Finsternis.
    Darum befragte er die Zeit, jene ungreifbare Kraft, die die Welt beherrschte, das Dunkel ebenso wie das Licht. Die Zeit war wohl die einzige Kraft, die man weder mit der Schwarzen noch mit der Weißen Magie voll beherrschen konnte. Sie war ein gar eigenwilliges, kapriziöses Element. Selbst Darkon hatte erfahren müssen, daß sie sich weder biegen noch formen ließ, selbst wenn dies den Anschein hatte.
    Sie war keineswegs in einem Strom reguliert, den man beliebig auf und ab fahren konnte, in die Vergangenheit und in die Zukunft. Die Zeit floß überall hin, wenn man sie schöpfen wollte, zerrann sie einem zwischen den Fingern. Und wenn man einmal glaubte, ein fremdes Ufer der Zeit zu betreten, glaubte, seinen Fuß etwa in die Vergangenheit zu setzen, so zeigte es sich, daß man allein durch diesen Schritt die Zeit wandelte – oder, besser gesagt, daß einen die Zeit wandelte.
    Und doch, ganz so unnahbar war die Zeit auch wieder nicht. Manchmal gestattete sie einen Blick in sich, zeigte, was aus ihr werden würde oder könnte. Vieles davon waren Trugbilder, und man mußte erst lernen, sie richtig zu sehen und zu deuten.
    Wer die Schwarze Magie wie Darkon beherrschte, konnte die Zeit selbst im Gewand der Zukunft schauen. Und das wollte er, er mußte sehen, wohin Carlumen trieb, welche Stationen die Bewohner dieser Fliegenden Stadt im hin und her wogenden Delta der Zeit noch anlaufen würden – könnten!
    Vorsichtig hob er Schleier um Schleier, in die sich jener Teil der Zeit hüllte, der Zukunft hieß. Es gab unzählige solcher Schleier, die Zukunft hatte viele Kleider, und der Darkon vermochte nicht zu sagen, welches das endgültige war, das dereinst Bestand haben würde. Die Bilder zerrannen, kaum

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