Mythor - 129 - Fluch über Nykerien
– er hatte sich seinem Gegenüber stets überlegen gefühlt.
»Nun, wie sieht es aus?« fragte Volcar lauernd.
»Wie sollten wir uns messen?« fragte Necron. »Er hat keine Waren, ich kann mit Würfeln und Karten nicht viel anfangen.«
»Das wäre zu beweisen«, stachelte Volcar die beiden auf. »Ihr könnt es versuchen, wenn ihr wollt – du, Sadagar, wirst ein Jahr lang als Händler auftreten, und du, Necron, wirst dein Glück im Spiel erproben. Nach einem Jahr werden wir uns hier wieder treffen und feststellen, welcher von beiden mehr Erfolg gehabt hat.«
Volcar klatschte in die Hände. Ein Sklave erschien und verneigte sich.
»Geh zum Kämmerer und laß dir zwei Beutel Gold geben. Die schaffst du her. Und wenn auch nur ein Stäubchen fehlt, wirst du es büßen.«
Nach kurzer Zeit kehrte der Sklave zurück. Volcar wog die Beutel in der Hand. Den einen warf er Sadagar zu, den anderen gab er Necron.
»Du wirst damit handeln, du kannst damit spielen«, sagte Volcar. »In einem Jahr treffen wir uns wieder – dann werdet ihr mir zeigen, was ihr erreicht habt. Und jetzt stört mich nicht länger – dieser Wein ist zu kostbar, als daß ich mich bei seinem Genuß stören lassen wollte.«
In der Menge wurde Gemurmel laut, als Sadagar und Necron, Schulter an Schulter, sich verneigten und gingen. Sie kamen auf mich zu.
»Aeda«, stellte Sadagar mich vor. »Du wirst die Geschichte gehört haben.«
Ich errötete, als Necron mich ansah.
»Ich hörte sie nicht«, sagte Necron. »Wenn sie dir zum Lobe gereicht, Aeda, wird sie wohl stimmen.«
Seine Höflichkeit war kalt, geschmeidig zwar, aber ohne Anteilnahme. Ich hätte gerne gewußt, ob er den Eisigen nur spielte oder tatsächlich so verhärtet war.
Sadagar faßte mich am Arm. Wir zogen uns in einen Winkel der Halle zurück, in dem wir ungestört und unbelauscht sprechen konnten.
»Wenn wir uns von diesem gekrönten Trunkenbold gegeneinander hetzen lassen, werden wir beide draufzahlen«, sagte Necron.
»So sehe ich es auch«, antwortete Sadagar lächelnd. »Unsere Chancen steigen, wenn wir uns miteinander verbünden – tun wir es nicht, wird jeder Lump versuchen, uns gegeneinander auszuspielen.«
Necron streckte die Hand aus. Sadagar sah ihm in die Augen und schlug ein.
»He, ihr Mannsvolk«, sagte ich. »Und was wird aus mir?«
»Ach ja«, entfuhr es Necron.
Er tat, als sehe er mich zum ersten Mal, und sein Blick hatte etwas Prüfendes – als schätze er den Verkaufswert einer Ware ab.
»Was machen wir mit ihr?« fragte der Händler.
»Wir nehmen sie mit«, schlug Sadagar vor. »Stört es dich?«
Es war eine Frechheit, daß er die Frage an Necron stellte und nicht an mich. Was ich an Sadagar haßte, das war seine unbegreifliche Sicherheit, mit der er so tat, als wäre ich sein Eigentum. Gewiß, ich hatte ihm zuliebe mein Gelübde gebrochen, und am Hals trug ich ein kunstvoll gefertigtes Liebesamulett, das Sadagar beim besten Magier des Landes in Auftrag gegeben hatte. Es zeigte auf der einen Seite mein Gesicht, auf der anderen stand mein Name. Aber das gab ihm kein Recht, mich so zu behandeln.
»Nein«, antwortete Necron sofort. »Gehen wir!«
*
Einhundertneununddreißig Stufen führten hinab in das Gewölbe, in dem Ampitric seine geheimen Künste praktizierte. Jede der Stufen war mit einem in Stein geritzten Zeichen versehen, die ich nicht zu deuten verstand. Als Dienerin der Medaya, der Schwester der Reinheit, kam man mit solchen Dingen nicht in Berührung.
Mir war bang zumute, als ich hinabstieg. Eine in Liebesdingen erfahrene Wirtin hatte mir den Ratschlag gegeben, es hier zu versuchen. Ampitrics Zauber sei stets wirksam und unwiderstehlich.
Die Tür hielt mich auf, eine schwere Tür aus massiven Eichenbohlen, mit stählernen Bändern bewehrt. Der Klopfer war ein verkleinertes Abbild eines Totenschädels – ein deutlicher Hinweis auf die Art der Magie, die in diesem unterirdischen Gewölbe betrieben wurde.
Es gab keinen hallenden Ton, als ich klopfte, vielmehr erklang ein scheußliches Fauchen und Krächzen, das mir Schauder über den Rücken laufen ließ.
Langsam, völlig geräuschlos schwang die Tür auf. Fackelschein erhellte den Gang.
»Komm!«
Es war eine leise, warme Stimme, die mich rief.
Klopfenden Herzens folgte ich der Aufforderung. Der Boden des langen, vielfach gekrümmten Stollens zeigte das Schuppenmuster einer riesigen Schlange. An den Wänden saßen faustgroße Spinnen und beäugten mich neugierig. Im Flackerlicht der
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