Mythor - 129 - Fluch über Nykerien
rechtfertigen, Aeda«, entgegnete Mythor. Gespannt hatte die Gruppe dem Bericht der Nykerier gelauscht. Nacheinander hatten Sadagar, Necron und Aeda berichtet, wie sie einander kennengelernt hatten, durch welche Fügungen des Schicksals sie aneinander gefesselt worden waren.
»Mit Catrox’ Tod muß sich alles gewandelt haben«, sagte Sadagar zuversichtlich. »Ihr werdet es sehen, wenn wir Nykerien erreichen.«
»Das wird nicht so einfach sein«, gab Mythor zu bedenken. Er deutete auf die überall herumliegenden Gestalten.
Das reinigende Bad am Plypen-Fall hatte einiges bewirkt, nicht nur die Oberfläche von Carlumen klargespült. Caeryll zeigte sich sichtlich erholt und zuversichtlich – aber Robbin, Nadomir, die Carlumer waren beim besten Willen nicht aus ihrer todesähnlichen Starre zu erwecken.
Der Kurs von Carlumen war vor einigen Stunden festgelegt worden; Caeryll hatte eingestanden, Nykerien nicht zu kennen, geschweige denn einen Kurs, der dorthin führte. Aber er hatte geraten, einen Korridor anzusteuern, der in seinen Karten als Hoffnungs-Ast eingezeichnet war. Kennzeichnend für diese Teilströmung der Schattenzone war eine reiche Zahl kleinerer und größerer Inseln, deren etliche von Pfader-Burgen gekrönt waren.
»Schließlich ist es vornehmste Pflicht der Pfader, Reisenden den Weg zu weisen durch die Klüfte der Schattenzone«, hatte Caeryll erklärt.
Seit dieser Entscheidung driftete Carlumen auf dieser Teilströmung in der Schattenzone dahin, einem ungewissen Ziel entgegen.
»Pfaderburg in Sicht!«
Mythor stand auf.
»Vielleicht bekommen wir nun einen Hinweis auf Nykerien«, hoffte er.
Der Pfader, der in der fraglichen Burg hauste, nannte sich Corbolo, ein menschliches Faß, umwickelt mit schwarzgrauen Bandagen, die Finger geschmückt mit zahlreichen Ringen, deren Arbeit verriet, daß sie aus den unterschiedlichsten Werkstätten stammten. Das Gesicht war gekennzeichnet durch Sanftmut und Friedfertigkeit – bei genauerem Hinsehen zeichnete sich allerdings eine habgierige Härte ab, die ihn nicht sehr vertrauenerweckend erscheinen ließ.
Auf dem Boden Carlumens ließ er es an jeglichem Respekt und an dem Mindestmaß an Höflichkeit fehlen, das für ein normales Gespräch vonnöten gewesen wäre. Seine Rede war von plumper Dreistigkeit, prahlerisch im Ton.
»Jeden Weg kann ich weisen«, ließ er vernehmen. »Alle Geheimnisse der Schattenzone sind mir kundig, in der Pfadergilde kommt niemand mir gleich.«
Ungeachtet dieses Gebarens, das manch sanfte Hand zur Faust sich ballen ließ, trug Mythor sein Anliegen vor; in seinem ganzen Leben hatte er sich niemals so sehr als unterwürfiger Bittsteller gefühlt wie in diesen Augenblicken, in denen Corbolo hoheitsvoll geruhte, den Sohn des Kometen anzuhören.
»Wohlan«, ließ er sich letztlich vernehmen. »Du bist auf dem rechten Pfad. Wer immer bei mir anfragt, sich meiner ebenso umfassenden wie tiefgehenden Kenntnisse der Schattenzone bedient, ist bereits damit auf dem rechten Pfad – wenn ich das in aller Bescheidenheit so ausdrücken darf.«
»Wie, bitte, klänge das bei Unbescheidenheit?« fragte Gerrek.
Corbolo wölbte in unnachahmlicher Manier eine Braue, beäugte Gerrek eine Zeitlang und ließ schließlich ein »Possierlich!« fallen. Mit nichts konnte man den Mandaler mehr reizen als mit Überheblichkeit, und seine Antwort ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Er öffnete das Maul, um die Bandagen des Pfaders etwas gleichmäßiger und tiefgehender durchzuschwärzen. Eine winzige Handbewegung Mythors ließ ihn gerade noch rechtzeitig innehalten.
Während Gerrek sich davonstahl, fragte Mythor höflich nach dem Preis für die Route nach Nykerien.
»Ich will es wohlfeil abgehen lassen«, sagte Corbolo gönnerhaft. »Fürwahr wohlfeil – ich verlange nur ein paar Kleinigkeiten.«
Nach dieser Vorrede war Mythor auf eine unverschämte Forderung gefaßt, aber Corbolo wußte ihn zu überraschen – seine Forderung war aberwitzig.
»Alle Bausteine des DRAGOMAE, den Sproß vom Baum des Lebens und das da.«
Die verächtliche Handbewegung galt Robbin.
»Er wird sich vor der Pfadergilde zu verantworten haben«, erklärte Corbolo.
Gerrek tauchte wieder auf, er trug einen gefüllten Pokal.
»Für dich«, sagte er und drückte Corbolo den Becher in die Hand. Ein wenig verblüfft nahm Corbolo einen Schluck.
»Im übrigen hat er sich bereits verantwortet«, erklärte Mythor lächelnd. »Eines seiner Delikte ist es, maßlose Forderungen
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