Mythos Ueberfremdung
der Mehrheit der Amerikaner lieb und teuer sind.«
Catons Organisation rief zum Werbeboykott auf, zu der Art von Maßnahme, die mit Blick auf den obskuren Hintergrund dieser Gruppe normalerweise ignoriert würde. Doch dieser Aufruf stieß auf Resonanz. Zwei der wichtigsten Werbekunden der Sendung, die Baumarktkette Lowe’s und das Online-Reiseunternehmen Kayak.com zogen ihre Werbeaufträge zurück. Dieser Fall könnte, für sich genommen, als eine der periodisch wiederkehrenden Erschütterungen im Kulturkrieg-Extremismus in Florida abgetan werden, die nun einmal ein fester Bestandteil der politischen Tektonik in den Vereinigten Staaten sind. Das alles ereignete sich allerdings in genau dem Augenblick, in dem Auseinandersetzungen dieser Art über Muslime die nationale Politikbühne betraten und zu einem wichtigen Thema im Präsidentschaftswahlkampf 2012 wurden.
Newt Gingrich gab bereits 2010 die Richtung vor, und zwar mit einer Rede, an die in der Woche des All-American- Muslim -Boykotts auf der Titelseite der New York Times erinnert wurde. Gingrich hatte dabei vor den Gefahren eines »heimlichen Dschihads« (»stealth jihad«) gewarnt – der Begriff wurde von Robert Spencer geprägt, dem »Jihad Watch«-Blogger und antimuslimischen Aktivisten. »Ich halte die Scharia für eine tödliche Bedrohung für den Fortbestand der Freiheit in den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt, wie wir sie heute kennen«, sagte Gingrich im American Enter prise Institute und ließ durchblicken, dies sei in den Vereinigten Staaten, deren Verfassung jede Einmischung der Religion in die Gesetzgebung untersage, von Bedeutung, weil ganz gewöhnliche Muslime insgeheim an einer Verschwörung arbeiteten: »Ich halte das für so einfach und so real. […] Heimliche Dschihadisten bedienen sich politischer, kultureller, gesellschaftlicher, religiöser, intellektueller Mittel; gewalttätige Dschihadisten setzen Gewalt ein. Aber beide Gruppen arbeiten für den Dschihad, und beide versuchen dasselbe Endziel durchzusetzen, nämlich die westliche Zivilisation durch die radikale Einführung der Scharia abzulösen.« Andere Präsidentschaftskandidaten übernahmen dieses Argument, zum Beispiel Rick Santorum (der die heimliche Einführung des islamischen Rechts als »neue existenzielle Bedrohung Amerikas« bezeichnete). Kandidaten, die das – wie Mitt Romney – nicht taten, wurden von der Tea-Party-Bewegung in den Reihen der Republikaner hart kritisiert.
Woher kam dieser Sprachgebrauch? Politische Debatten in den USA hatten sich ein Jahrzehnt lang auch mit islamischem Terrorismus und Extremismus befasst, aber dieses Thema war neu: Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts war die Aussage, ganz gewöhnliche Muslime seien das Problem, in gewissen Kreisen des Establishments und der Politik akzeptabel geworden. Man konnte behaupten, islamische Einwanderer und ihre Nachkommen würden sich möglicherweise illoyal verhalten, und für diese Religion und ihre Anhänger sollten andere Toleranzmaßstäbe gelten als für andere Religionsgemeinschaften. Solche Gedanken, die, wie wir in Teil III noch sehen werden, fast identisch sind mit den Ansichten, die in den USA einst gegen römisch-katholische und jüdische Einwanderer vorgebracht wurden, bewegten sich bis zur Präsidentschaft von George W. Bush noch weit außerhalb der politischen Mitte. Aber nach 2008 geschahen zwei Dinge: Die Republikaner erlebten im Anschluss an Bushs Amtszeit ein Machtvakuum, das neuen, aus dem Spektrum der antimuslimischen Rech ten kommenden Kandidaten viel mehr Spielraum verschaffte, und die Autoren und Aktivisten, die vor der muslimischen Flut warnten, hatten ihre Kräfte gebündelt und zogen jetzt erhebliche finanzielle Unterstützung und Medienaufmerksamkeit auf sich.
Sie waren in vielerlei Hinsicht zu einer organisierten Lobby geworden. Eine Untersuchung des Center for American Progress kam 2011 zu dem Ergebnis, dass Robert Spencer, Pamela Geller und drei weitere sich ehemals im Randbereich bewegende antimuslimische Blogger und Aktivisten in der Zeit von 2001 bis 2009 von sieben konservativen Mainstream-Stiftungen, die solche Stimmen früher nicht unterstützt hatten, insgesamt 42,6 Millionen Dollar an Spendengeldern erhalten hatten. Dieses Geld verschaffte ihnen eine überdimensionale Lobby- und Medienpräsenz. Sie gaben fast 17 Millionen Dollar aus, um 28 Millionen Wähler in Swing-Staaten mit Gratisexemplaren der DVD Obsession: Radical Islam’s War Against the
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