Mythos Ueberfremdung
Hass sich gegen uns richtet.«
Bernard Lewis
Hinter all der Angst vor religiösem Extremismus, schleichender Einführung der Scharia und Schläferzellen-Terrorismus steckt das Gespenst des zornigen Muslims. Die Vorstellung liegt nahe, dass die Gesichter hinter den Schleiern einen finsteren Blick auf die Welt haben, die sie umgibt, auf ihre Dekadenz und Ungläubigkeit, und auf etwas Besseres hoffen. Die Proteste von Extremisten gegen die Mohammed-Karikaturen oder die Abschiedsbotschaften von Selbstmordattentätern sind schließlich Ausdruck eines ebenso umfassenden wie unkontrollierbaren Zorns auf den Westen und die säkulare Gesellschaft. Entspringt dieser Zorn einer allgemeinen, von einer großen Zahl muslimischer Einwanderer geteilten Wut? Gibt es eine Quelle der Bitterkeit und Desillusionierung, die noch mehr Gewalt und Extremismus hervorbringen wird?
In Wirklichkeit scheinen die Muslime zu den am wenigsten desillusionierten und zufriedensten Menschen im Westen überhaupt zu gehören. Wir haben bereits festgestellt, dass muslimische Einwanderer normalerweise mit ihren Aufnahmeländern und deren Regierungen und demokratischen Institutionen zufrieden sind. Eine Reihe von umfangreichen Untersuchungen beschäftigte sich in den letzten Jahren mit der allgemeinen Gefühlslage und den Überzeugungen dieser Muslime, und die Ergebnisse sind ebenso eindeutig wie beruhigend.
Britische Muslime haben nach einer Gallup-Studie am Vortag der Befragung im Vergleich zum britischen Durchschnitt nur halb so häufig Zorn empfunden, und nach diesem Bericht besteht bei ihnen eine im Vergleich zum Durchschnittsbriten etwas geringere Wahrscheinlichkeit, dass sie »viele negative Gefühle empfinden, unter anderem auch Zorn«. Etwa genauso oft wie die Briten insgesamt berichten sie von »vielen Gefühlen der Freude« (bei 76 Prozent der Muslime und 82 Prozent der Allgemeinheit traf dies zu). Französische Muslime hegen sogar noch weniger Zorn als ihre britischen Glaubensbrüder und -schwestern. Häufiger als die französische Durchschnittsbevölkerung erklären sie, sie fühlten sich gut ausgeruht oder sie hätten am Tag vor der Befragung »viel gelächelt und gelacht«. Nur 19 Prozent der französischen Muslime sagten, sie hätten am Tag vor der Befragung »großen Zorn empfunden«, im Vergleich zu 33 Prozent aller befragten Franzosen. Bei Berichten zu Gefühlen großer Freude entsprachen sich die Gruppen. 1
Zwei französische Wissenschaftler stellten im Rahmen detaillierter Umfragen fest, dass muslimische Einwanderer in Frankreich häufiger »Gefühle der Nähe zu französischen Mitbürgern« empfanden (85 Prozent) als gegenüber Angehörigen der eigenen Religion (71 Prozent) oder Menschen derselben nationalen Herkunft (77 Prozent), und das heißt: Muslime fühlten sich in der Gesellschaft nicht muslimischer französischer Mitbürgerinnen und Mitbürger etwas wohler als unter anderen Muslimen. Besonders interessant ist hier bei, dass dies kein Produkt der Säkularisierung zu sein scheint. Bei den Personen, die sich selbst zunächst als Muslime bezeichnen – die sich also eher über die Religion als über die Staatsangehörigkeit definieren –, war der Anteil derer, die eine »Nähe zu anderen Franzosen« empfanden, mit 90 Prozent sogar noch höher. Es sollte hier festgehalten werden, dass nur 84 Prozent der nicht muslimischen französischen Staatsbürger »Gefühle der Nähe« zu französischen Mitbürgern empfanden. 2
Auch in den Vereinigten Staaten, in denen Anschläge islamischer Terroristen in jüngerer Zeit zu Befürchtungen hinsichtlich einer weitergehenden Desillusionierung geführt haben, sind die Ergebnisse dramatisch. Muslime in Amerika erklären häufiger, sie seien »mit ihrem Leben zufrieden« (84 Prozent der im Ausland geborenen Muslime), als die Durchschnittsamerikaner (75 Prozent). Und dabei bleibt es nicht, denn der Anteil der Zufriedenen steigt bei der im Land geborenen zweiten Generation von Muslimen, den Kindern der Einwanderer, auf 90 Prozent. Etwa gleich groß ist die deutliche Mehrheit von Muslimen (79 Prozent) und Amerikanern insgesamt (83 Prozent), die ihre Nachbarschaft oder Gemeinde als »ausgezeichneten« oder »guten« Wohnort bezeichnen. Sogar unter den Muslimen in Stadtvierteln, deren Gemeindemoschee von Vandalen verwüstet wurde, bezeichneten stolze 76 Prozent ihre Gemeinde als einen guten Ort. 3
Offensichtlich gibt es einige Muslime, die sehr zornig sind. Einzelne Einwanderer und ihre Kinder hat
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