Mythos Ueberfremdung
Technischen Hochschulen als an Universitäten). Eine umfangreiche niederländische Studie zum Bildungserfolg der zweiten Generation kam zu dem Ergebnis, dass »eine zahlenmäßig große Gruppe zurückbleibt und eine ebenso große Gruppe bemerkenswert gute Leistungen zeigt«. 34 Es ist dasselbe Muster, das wir auch in Großbritannien beobachten: Junge Menschen mit pakistanischer oder Bangladescher-Herkunft sind bei den Aufnahmen in die höheren Bildungswege überrepräsentiert – ebenso wie bei der Gruppe derjeniger, die die Schule ohne qualifizierten Abschluss verlassen. 35 Mit anderen Worten: Es findet eine Polarisierung innerhalb der ethnischen Gruppen statt – was wir früher schon bei anderen Gruppen armer Einwanderer erlebt haben. Das ist in gewisser Weise beruhigend. Es bedeutet, dass die muslimischen Einwanderer sich auf demselben Weg befinden, dem andere religiöse Minderheitengruppen von Einwanderern einst gefolgt sind, und es dabei mit derselben Mischung aus Chancen und Hindernissen zu tun bekommen. Es bedeutet aber auch, dass viele Schulsysteme ihnen nicht gerecht werden.
Was noch schlimmer ist: Muslimische Einwanderer, die eine gute Ausbildung abschließen und nach ihrem Platz in der Gesellschaft suchen, können auf nahezu unüberwind liche Hindernisse stoßen. Eine Untersuchung zu vier europäischen Ländern zeigte, dass die auf den jeweiligen Ausbildungswegen erzielten überdurchschnittlichen Ergebnisse vieler Muslime rückgängig gemacht werden, sobald sie den Einstieg in die Arbeitswelt anstreben. Ihre Eltern (die eigentliche Einwanderergeneration) verdienen sehr viel weniger als die Einheimischen, und ihren Kindern – der zweiten Ge neration von Muslimen, die das Sprach- und Bildungsniveau der Einheimischen erreicht oder sogar übertroffen haben – gelingt es nicht, die Einkommensunterschiede zu verringern. In Großbritannien geborene Kinder von Bangladeschern sind auf dem Arbeitsmarkt doppelt so erfolgreich wie ihre Eltern – aber das ist immer noch sehr viel schlechter als die Bilanz der in Großbritannien geborenen Arbeitskräfte britischer Herkunft. In Deutschland geborene Kinder von Türken verdienen weniger als ihre aus der Türkei eingewanderten Eltern, obwohl sie länger die Schule besucht haben. 36 In einer Studie zu den Kindern von Einwanderern in Großbritannien heißt es: »In Großbritannien geborene Angehörige ethnischer Minderheiten haben trotz einer längeren Schulzeit schlechtere Beschäftigungschancen als die gleichaltrigen im Land geborenen Weißen […] und erhalten für vergleichbare Tätigkeiten im Durchschnitt eine geringere Bezahlung.« 37 Die Untersuchung des Open Society Institute bilanziert: »Das Humankapital macht einen Teil dieser Benachteiligung aus; weitere Einflussfaktoren sind unter anderem soziale Netzwerke, Verständnis des Arbeitsmarkts sowie Sprachkenntnisse.« Aber selbst wenn man all diese Dinge berücksichtigt, gewinnt man den Eindruck, dass die Kinder muslimischer Einwanderer »auf dem Arbeitsmarkt sowohl eine ethnische als auch eine religiöse Benachteiligung« 38 erfahren.
Den meisten muslimischen Einwanderern fehlt es nicht am Willen, sich in den Aufnahmeländern zu integrieren und zu einem vollwertigen Mitglied des Wirtschaftslebens und Bildungswesens zu werden. Es scheint allerdings eine Gruppe männlicher Jugendlicher zu geben, die die Schule früh verlassen und denen es nicht gelingt, ihren Platz im postindustriellen Wirtschaftsleben der westlichen Länder zu finden – das teilen sie mit den Söhnen und Enkeln der »weißen« Arbeiter klasse in vielen europäischen Ländern. Sie liefern gewiss einen Grund zur Sorge. Anreize und Systeme, mit denen sich diese jungen Männer der zweiten Generation in Schul- und Berufsausbildung sowie in Beschäftigungsverhältnissen halten lassen, sollten für die europäischen Bildungsministerien ein Großprojekt sein, denn wenn sie aus diesen Bezügen herausfallen, wird das in der Zukunft für größere und teurere Probleme sorgen. Sie werden allerdings zahlenmäßig übertroffen von einer sehr viel größeren Gruppe, die hart an ihrem Erfolg arbeitet, aber in der Schule und am Arbeitsplatz oft frontal auf Hindernisse stößt, die eigens für ihren Ausschluss entwickelt zu sein scheinen.
Wir haben es letztlich mit einer armen, aber ehrgeizigen Gemeinschaft zu tun, die über Ländergrenzen und oft auch über Sprachbarrieren hinweg eine harte Umstellung von einem ländlichen auf ein (groß-)städtisches Leben
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