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Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition)

Titel: Mythos Übergewicht: Warum dicke Menschen länger leben. Was das Gewicht mit Stress zu tun hat - überraschende Erkenntnisse der Hirnforschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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darauf, anerkannt zu werden – so wie sie sind. Diäten und Abnehmprogramme sind nicht nur medizinisch grundverkehrt, sondern können sehr schnell zu einem Instrument der Unterdrückung werden. Dick zu sein, ist eine Reaktion des menschlichen Organismus auf eine Überlastung des Stresssystems und schützt die Menschen vor Folgeerkrankungen einer daueraktivierten Stressabwehr (des Hoch-Cortisol-Zustandes). Die gesundheitlichen Risiken von hohem Körpergewicht werden deutlich überschätzt und übertrieben. Auch das ist für die meisten Menschen ein grundlegend neuer Gedanke. Genau wie diese zentrale Erkenntnis: Zwar ist das Leben unter Belastung in stressvoller Umgebung grundsätzlich gefährlich für Leib und Seele, aber es ist – wenn man schon unter solcher Belastung leben muss – ein klarer Gesundheits- und Überlebensvorteil, dick zu sein. Dick zu werden und dick zu sein, ist ein individueller Ausdruck unseres Lebens in einem stressgeladenen Umfeld und für viele Menschen ein Zustand, an den sie, etwa durch isolierte Gewichtsabnahme, am besten nicht rühren sollten. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Unter dauerhaftem Stress dick zu werden, ist unter den gegebenen Umständen eine sinnvolle und gesunde Anpassungsstrategie des menschlichen Organismus. Es ist also höchste Zeit, sich dafür stark zu machen, dicken Menschen den Respekt und die Toleranz entgegenzubringen, die sie verdienen, und das Dicksein medizinisch neu zu bewerten. Aber die sprichwörtliche Medaille hat auch hier eine zweite Seite: Denn die Zunahme von Körpergewicht ist als gesellschaftliches Phänomen auch ein Warnsignal. Es zeigt an, dass die Zahl der Menschen, die dauerhaftem psychosozialen Stress ausgesetzt sind, bereits sehr hoch ist und in einigen Ländern noch immer dramatisch steigt. Besonders besorgniserregend ist dabei die Tatsache, dass immer jüngere Menschen immer dicker werden – ein Ausdruck dafür, dass auch im Leben unserer Jüngsten psychosozialer Stress deutlich auf dem Vormarsch ist. Der Grad an Ängstlichkeit bei Kindern hat in vielen Ländern in den letzten vierzig Jahren stetig zugenommen. Es ist richtig und wichtig, zu erkennen, dass dicker zu werden, als eine gelungene Anpassung des menschlichen Organismus an psychosozialen Stress zu begreifen ist. Es bedeutet aber eben auch, dass dicke Menschen einem stressstarken Umfeld ausgesetzt sind. Wenn sich der menschliche Organismus vor Stressauslösern zu schützen weiß, ist das zunächst hilfreich. Aber die Stress-Abwehr selbst ist auf Dauer folgenschwer.
    Wer also das globale Phänomen, dass immer mehr Menschen immer dicker werden, als »Übergewichtsepidemie« bezeichnet, geht am Kern des Problems vorbei und wird, was immer er empfiehlt, dieses Problem garantiert nicht lösen. Was wir erleben, ist ursächlich keine »Übergewichtsepidemie«, sondern eine weltweite »Stressepidemie«. Der Ausbreitung von Stress liegen im Wesentlichen die bereits genannten psychosozialen Faktoren zugrunde. Die Zunahme des Körpergewichts ist lediglich Ausdruck einer Anpassung an diese Entwicklung. Darüber lohnt es sich zu diskutieren und sich endlich Gedanken zu machen, wie wir die Ursachen bekämpfen, statt weiter nur eine natürliche Lösungsstrategie des Gehirns rückgängig zu machen, die es den Menschen erlaubt, in einer unsicheren Umwelt zu bestehen. Denn wenn es gelingt, diese Entwicklung immer stärkerer Stressbelastungen in unseren Lebensumfeldern einzudämmen, braucht die Welt weder Diätprogramme oder Light-Produkte noch Verbote süßer Limonaden. Dann wird die Zahl der Menschen, deren Stresswerte im Blut so unauffällig wie ihr Körpergewicht sind, deutlich ansteigen – ganz von allein. Dazu kann auch ein psychologisch fundiertes Stressmanagement beitragen, das in der Praxis tatsächlich einen stabilisierenden Einfluss auf unser Körpergewicht haben kann. Ich komme im letzten Kapitel auf diesen wichtigen Aspekt zurück.
    Doch noch sieht die Realität leider anders aus: Wissenschaftlich, medizinisch und gesellschaftlich wird der Standpunkt, dass Schlanksein gesundheitlich und persönlich unbedingt erstrebenswert ist, häufig noch vehement verteidigt. Und weil konventionelle Strategien zur Gewichtsabnahme offenkundig nicht funktionieren, schlägt jetzt die Stunde der Chirurgen. Sie versprechen den Betroffenen sofortige Abhilfe durch radikale Lösungen. Mit der Aussicht auf nachhaltigen Abnehmerfolg, wo alle Diätversuche gescheitert sind.

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