Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
Vom Netzwerk:
gestoßen.
    Jeweils zwei der Jungs schoben eines der langen, einfachen Kanus, die am schlammigen Flussufer lagen, in den braunen Strom. Die Bordwände ragten kaum über die Wasserfläche hinaus. Doch die Kanus lagen überraschend stabil im Wasser, während die vier Jungs sie mit kräftigen Paddelschlägen zum anderen Ufer brachten, wo ein weiterer kleiner Strom von Westen in den Río Cachiyacu mündete.
    „Quebrada Achayacu“, verkündete Dionisio, der älteste der jungen Indigenen. Sie hatten den Bach erreicht, von dem auch Ritz in seinem Derrotero geschrieben hatte. Noch einmal passierten sie einige Hütten auf Pfählen. Von hier aus führte der Pfad in dichten Dschungel.
    Der mit welken Blättern bedeckte, manchmal morastige Weg war so schmal, dass sie hintereinander gingen. Es war schwül. Zu dem Geruch der lebenden Pflanzen kam ein feiner Hauch von Schimmel und Verwesung, der von den dicken Laubschichten am Boden aufstieg und zu dem die riesigen Bromelien und Orchideen in den Astgabeln eine süßliche Note hinzufügten.
    Etliche Male mussten sie den Bach überqueren. Hin und wieder lagen über seiner im Sonnenlicht glitzernden Oberfläche dicke, modrige Baumstämme, die die vier Jungs geschickt als Brücken nutzten. Mehr als einmal rutschte einer der Schatzsucher aus und landete im gelbgrünen, schlammigen Bachbett.
    Plötzlich rauschte und tropfte es um sie herum. Die Blätter über ihren Köpfen beugten sich unter dem Gewicht des Regens herab. Hastig zogen sie ihre Regencapes über.
    Von vorn hörte d’Albret immer wieder die Schläge der Machete, mit denen Dionisio den Weg von den Stauden und jungen Bäumen befreite, die den Kampf gegen das Eindringen des Menschen aufgenommen hatten. Nach jedem Schlag verstummten die Vögel um sie herum, um nach einer Weile aufs Neue zu kreischen und zu pfeifen.
    Das also ist der Dschungel, dachte d’Albret. Auf seinen Reisen mit Merdrignac war er weit herumgekommen. Aber im Regenwald waren sie nie gewesen. Es war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Vielleicht fehlten die Urwaldriesen, diese uralten, hohen Bäume, um alles perfekt zu machen. Aber gab es das überhaupt, einen perfekten Dschungel? Der Regen ließ wieder nach. Erleichtert schnallte d’Albret das Regencape wieder an den Rucksack, den einer der jungen Shawche jungeni für ihn trug. Unter dem Plastik hatte er furchtbar geschwitzt.
    Zwei Stunden folgten sie dem Bach mit seinen zahllosen kleinen Wasserfällen. In die Nebelschwaden, die darüber hingen, zauberte die Sonne regenbogenfarbene Flecken. Es ging im Zickzack die Hügel hinauf. Sie gelangten in einen hoch gelegenen Talkessel, in dem sich Wärme und Feuchtigkeit stauten.
    Ein letztes Mal überquerten sie den Achayacu, dann stießen sie auf einen kleinen Teich. Von großen, moosbewachsenen Felsen stürzten zwei Wasserfälle.
    Die Einheimischen hatten eine Lichtung in den Wald geschlagen und einen einfachen Unterstand gebaut. Pfähle stützten ein mit Palmblättern gedecktes Dach.
    Die vier Jungs schoben Laub und Äste beiseite, bis unter dem Dach der ebene, braune Boden freilag. Ein schwarzer Skorpion huschte über die Fläche und starb unter dem flinken Machetenschlag von Dionisio.
    „Nicht tödlich“, sagte er beruhigend, „aber sehr unangenehm.“
    Sie stellten ihre Rucksäcke unter. Dann wandte sich der Älteste der Jungs an York.
    „Wollen Sie heute noch die Petroglifos sehen oder erst morgen früh?“
    „So schnell es geht“, sagte York.
    D’Albret fühlte sich dreckig, und sein Magen knurrte. Aber die anderen konnten es offenbar nicht erwarten, endlich zu erfahren, wohin ihre Reise ging.
    Er sah den Blick, den York Tilly zuwarf und den sie mit einem Grinsen erwiderte. Hier sind sie, dachte d’Albret, die Schatzjäger, auf dem Weg zu verschollenen Reichtümern, begierig, die nächste Herausforderung anzugehen.
    Dionisio führte sie auf einen Pfad, den d’Albret niemals als solchen erkannt hätte. Nach vielleicht 50 Metern hatten sie eine weitere Lichtung erreicht, über der einige blau und grün schillernde Kolibris schwirrten. Als sie aus dem Wald heraustraten, schossen die Vögel davon.
    „La Piedra de Cumpanama“, verkündete Dionisio und wies auf einen riesigen, einzeln stehenden Felsbrocken. Sie schritten durch das knöcheltiefe Kraut, während der Stein vor ihnen in die Höhe wuchs.
    Der Priester schätzte den Block auf etwa fünf Meter Höhe und vielleicht 15 Meter Breite. Er war mit Stauden bewachsen, die ihre Ranken bis

Weitere Kostenlose Bücher