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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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weg?“
    „Es können nicht mehr als drei oder vier Minuten gewesen sein“, sagte Cori. „Sonst hätten Sie wahrscheinlich einen Hirnschaden.
    York fasste sich schockiert an den Kopf. „Mein Gott.“
    D’Albret betastete seine Hüfte. Unter dem zerrissenen Hemd bildete sich ein riesiger Bluterguss.
    Ein langer, dunkler Schatten glitt vom gegenüberliegenden Ufer geräuschlos ins Wasser. Ein sanfter Strudel schickte einige flache Wellen über die Sandbank.
    Er erstarrte. „Was war denn das?“
    „Vermutlich ein Kaiman“, sagte Cori. Er sprang auf. „Wir müssen uns um die Señora kümmern.“
    Ohne ein weiteres Wort kämpften sie sich durch den Dschungel am Ufer stromaufwärts, bis sie auf Höhe des Flugzeugwracks waren.
    Tilly hatte sich auf die vom Wasser überspülte Tragfläche gehievt. Sie hockte dicht am Rumpf, hielt sich den linken Arm und starrte dorthin, wo der Baumstamm in der dunstigen Ferne verschwunden war.
    Cori betrachtete mit finsterer Miene das Flugzeugwrack.
    „Das ist das Ende“, flüsterte er. Dann bedachte er die Wasserfläche und die Ufer mit einem kritischen Blick. „Warnen Sie mich, wenn Sie wieder einen Kaiman sehen“, forderte er d’Albret auf. Er stieg ins Wasser. Ohne schwimmen zu müssen, gelangte er bis zu der Tragfläche und zog sich hinauf.
    „Die Rinne, in dem das Flugzeug liegt, ist ziemlich schmal“, sagte er zu Tilly. „Sie können an Land waten.“
    „Unsere Rucksäcke“, sagte sie nur.
    Sie wirkt sehr gefasst, dachte d’Albret. Hatte sie überhaupt mitbekommen, dass York beinahe ertrunken war?
    Ihr Gepäck befand sich in einem Fach, das über eine Klappe hinter der rechten Tragfläche zu erreichen war.
    Der Pilot legte sich flach auf den Flügel und öffnete sie. Der Stauraum war mit Wasser gefüllt. Cori zog einen Rucksack nach dem anderen heraus und reichte ihn an Tilly weiter. Mit einem Kribbeln in den Beinen stieg auch d’Albret ins Wasser und half, das Gepäck ans Ufer zu schaffen, während York benommen die Wasseroberfläche beobachtete. Der Amerikaner zitterte am ganzen Körper. Immer wieder hustete er und spuckte in den Fluss.
    Nass und erschöpft hockten sie schließlich auf der flachen, morastigen Böschung.
    D’Albret fröstelte. Er schlang die Arme um sich und ließ sich auf den Rücken sinken, fühlte das tiefe Bett gammelnden Laubs unter sich und legte den Kopf in den Nacken. Er atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen. Über ihm kämpfte ein dichtes Gewirr großblättriger Stauden und feingliedriger Farnblätter miteinander. Jede Pflanze schien bemüht, den Nachbarn zu umschlingen oder sich auf ihm abzustützen, um höher hinauf zu ragen und etwas von den wenigen Lichtstrahlen aufzufangen, die durch das Blattwerk der Bäume und Palmen fielen. Ein großer Schmetterling breitete die schwarzen, mit gelben Streifen geschmückten Flügel aus und flatterte auf den Fluss hinaus.
    „Gut, dass wir Sie an Bord hatten“, sagte Cori plötzlich. D’Albret schaute ihn verwirrt an. Was meinte der Pilot?
    „Sonst wäre die Sache sicher noch schlimmer ausgegangen.“ Cori warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Als Sie gebetet haben, da wusste ich mit einem Mal, dass wir überleben würden. Ich habe es gespürt. Es war, als wäre ein Engel zu uns ins Flugzeug gekommen.“
    Er legte dem Priester die Hand auf die Schulter. „Und deshalb wusste ich auch, dass wir York retten würden.“
    Ein Engel? D’Albret wich dem Blick des Peruaners aus und unterdrückte ein bitteres Lachen. Er hatte während des Absturzes nicht gebetet. Nicht eine Sekunde hatte er auch nur an Gott gedacht. Er hatte nur panische Angst gehabt. Und er hatte an Yvonne gedacht.
    Hatte Gott ihn verlassen? Hatte er Gott verlassen?
    Er warf Cori einen Blick zu. Der Pilot schaute mit verkniffenem Gesicht zu dem Wrack seines Flugzeugs hinüber und murmelte etwas vor sich hin. Warum hatte Gott das Leben dieses mutigen Mannes zerstört, der bereits trank, weil seine Frau … tja, was? War sie gestorben? Hatte sie ihn verlassen? Betrogen? Etwas war in seinem Leben furchtbar schiefgegangen. Und niemand hatte sich dafür interessiert. Und jetzt hatte Gott zugelassen, dass seine Lebensgrundlage zerstört war.
    Oder fand Gott, dass es für Cori an der Zeit für Veränderungen war?
    York richtete sich auf. „Glauben Sie an Engel?“
    Verwundert hob d’Albret die Schultern.
    „Ich bin nicht sehr religiös“, stellte der Amerikaner leise fest. „Aber manchmal habe ich das Gefühl, als wäre da

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