Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
Vom Netzwerk:
Bande aus der nordischen Mythologie?“
    Das Wasser wurde wieder etwas tiefer. Das Kanu trieb auf das Ufer zu und fand eine Rinne unter den ausladenden Ästen der Bäume, in denen kleine Vögel nervös auf sie herabschauten. Schatten und Licht wechselten sich ab. Das Wasser um ihr Boot änderte entsprechend seine Farbe von Braun zu einem strahlenden Smaragdgrün, das d’Albret an die Augenfarbe von Yvonne erinnerte. MacLoughlin hat ebenfalls grüne Augen, dachte er. Ist sie mir deshalb trotz allem sympathisch?
    „Weil mächtige, politisch motivierte Männer ihmAbe Männe einen größeren Ausbreitungserfolg beschert haben“, beantwortete MacLoughlin selbst ihre Frage. Sie schaute über ihre Schulter zu d’Albret zurück. „Deshalb betrachten Christen die römischen und germanischen Götter- und Heldengeschichten als unterhaltsame Literatur, die Bibel aber als Heiliges Buch.“
    Der Priester ignorierte ihren Blick. Er konzentrierte sich darauf, das Boot auf Abstand zu dem Kanu zu halten, in dem York mit zwei der Shawi hockte.
    MacLoughlin stieß ihr Paddel energisch ins Wasser. „Ich vermute, mit derselben Begeisterung, mit der Sie heute an die Dreifaltigkeit glauben, würden Sie im Schatten eines nordischen Weltenbaumes beten, wenn die Sachsen die Herrschaft über das römische Kaiserreich übernommen hätten. Sie wären ein Imam, wenn Karl Martell im 8. Jahrhundert nicht die spanischen Mauren über die Pyrenäen zurückgetrieben hätte. Oder stellen Sie sich vor, die Azteken hätten Schiffe gebaut und Europa erobert. Dann würden Sie im Tempel des Tlaloc mit Begeisterung menschlichen Opfern bei lebendigem Leibe das Herz herausschneiden.“
    Eine Sandbank tauchte vor ihnen auf. Mit vereinten Anstrengungen stakten MacLoughlin und d’Albret das Kanu wieder in die Flussmitte. Ein Schwarm großer, blaugrünroter Papageien flog schimpfend aus den Bäumen auf und überquerte den Río Shihuarai über ihren Köpfen. Papagei mit drei Buchstaben, dachte d’Albret. Ara.
    „Hier im Dschungel“, sagte MacLoughlin, „wird ein Voodoo-Glaube an Waldgeister, die in Tieren und Pflanzen leben, durch einen anderen Voodoo-Glauben ersetzt. Einen mit einem heiligen Geist im Weihwasser und Zaubersprüchen, die Sie Segen nennen.“
    Sie zog das Paddel aus dem Wasser und stieß es auf der anderen Seite des Kanus wieder hinein. „Diese Evangelikalen sind offenbar ziemlich erfolgreich mit ihrer Mission.“ Sie klatschte wütend ihr Ruder auf die Wasseroberfläche. „Und wozu?“
    D’Albret war klar, dass MacLoughlin keine Antwort hören wollte, und schwieg.
    „Die Indigenen hier sind ihre Jakobsleiter direkt in den Arsch des Herrn.“ Die Journalistin schaute hinüber zu dem Kanu, in dem Dan und Pam saßen. „Wenn diese Leute sich mit ihrer Version der Liebe durchsetzen, dann werden Ehebrecherinnen tatsächlich wieder gesteinigt. Dann bekommen wir Verhältnisse wie in Saudi-Arabien oder in Somalia. Alle diese Fundamentalisten nehmen für sich in Anspruch, die Menschen zu lieben. Die Autoren des Hexenhammers haben das Neue Testament auch gelesen. Und Dan und Pam sind überzeugt, im Namen Jesu zu handeln. Christlich, moralisch.“
    Das Kanu lief wieder einmal auf Grund. Sie legten die Ruder auf den Boden, sprangen über Bord und schoben das Boot vor sich her über eine wenige Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegende Schicht aus Schlamm und Sand. Schwärme kleiner Fische zuckten auf sie zu und bei jeder ihrer Bewegungen wieder zurück.
    „Und Sie?“, fragte d’Albret herausfordernd. „Was gewinnen Sie auf Ihrem missionarischen Feldzug gegen den Glauben?“
    „Ansehen in meiner Gemeinde natürlich, den Atheisten.“ MacLoughlin lächelte. „Allerdings ist niemand in Gefahr, von mir als Hexe oder Ketzer verbrannt zu werden. Außerdem halte ich Religionen für gefährlich für Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit, und ich versuche, vor dieser Gefahr zu warnen.“
    Sie schöpfte Wasser aus dem Fluss und befeuchtete ihr Gesicht.
    D’Albret wollte es MacLoughlin gegenüber nicht zugeben, aber er musste über ihre Erklärungen nachdenken. Natürlich hatte sie recht damit, dass der christliche Glaube nicht nur mithilfe liebevoller Überzeugungsarbeit verbreitet worden war. Sprach das aber gegen die frohe Botschaft oder nur gegen manche ihrer Überbringer? Religion wurde natürlich benutzt, um Ungläubige oder Anhänger eines manchmal nur marginal abweichenden Glaubens als minderwertig oder gar wertlos zu

Weitere Kostenlose Bücher