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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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gewöhnten sich seine Augen an das schwache Mondlicht. Die Konturen der Hütten und Bäume auf dieser Seite des Flusses waren nur zu erahnen. Das andere Ufer war nicht zu sehen.
    Im Westen blitzte schwach ein Licht über dem Wasser auf und beleuchtete ein kleines Stück des diesseitigen Ufers.
    D’Albret riss den Kopf herum. Jetzt war alles wieder finster. Nur ein schwaches, schwarzes Nachbild auf seiner Netzhaut bewies, dass er sich nicht geirrt hatte. Konnte ein Glühwürmchen vor seiner Nase ihn getäuscht haben? Es waren keine dieser Insekten zu sehen. Gaben elektrische Aale sichtbare Blitze ab?
    MacLoughlin trat neben ihn und starrte ebenfalls den Fluss hinunter. Dann hat sie das Licht auch gesehen, dachte d’Albret. Sie ging zurück zum Feuer und holte eine Taschenlampe aus ihrem Rucksack. In stillem Einverständnis bewegten sie sich neugierig das Ufer entlang, den Lichtkegel der Lampe auf das Wasser des Flusses gerichtet. Bald stießen sie auf den Waldrand.
    „Das war doch hier, oder?“, flüsterte MacLoughlin. Sie beleuchtete das Ufer und den Fluss. Als der Lichtstrahl auf das Ufer fiel, sah d’Albret eine Schleifspur im Schlamm. „Hier hat jemand ein Kanu hochgezogen.“
    „Oder etwas hat den Fluss überquert und ist hier an Land gekrochen“, sagte MacLoughlin.
    D’Albret sah ihr irritiert ins Gesicht. Sie grinste breit.
    „Haha“, sagte er. „Schauen Sie mal da.“ D’Albret wies auf eine Lücke zwischen den Bäumen vor ihnen.
    „Lust auf ein Abenteuer?“, fragte MacLoughlin.
    D’Albret zögerte. Wovor habe ich Angst, fragte er sich selbst. Vor dem Matararo? Er schnaubte.
    MacLinvv>
    Der Priester blieb dicht hinter ihr. Er konnte wenig mehr sehen als die Silhouette der Journalistin, die vom Licht ihrer Lampe aus der Finsternis geschnitten wurde.
    Der Pfad – und um einen solchen handelte es sich tatsächlich – führte schnurgeradeaus fort von den Hütten des Dorfes. Zweige griffen kraftlos nach ihren Armen. Immer wieder stolperten sie über Wurzeln oder in kleine Löcher, in denen sich Regenwasser gesammelt hatte.
    „Manche Leute singen angeblich, wenn sie Angst haben“, sagte MacLoughlin über ihre Schulter. „Vielleicht hilft auch reden?“
    D’Albret lächelte. Meinte diese Frau nun ihn oder sich selbst?
    „Gern“, antwortete er. „Sie behaupten also, der Mensch komme irgendwie zu seiner Moral, ohne Bibel oder den Glauben an Gott. Aber woher kommt sie dann? Das haben Sie noch nicht gesagt. Und Ihre Wissenschaftler behaupten ja sogar, unser Verhalten ließe sich sowieso nur durch Egoismus erklären.“ D’Albret verzog das Gesicht. „Die Biologen sagen auch, ich würde nur lieben, um Nachwuchs zu zeugen. Um Gene weiterzugeben. Wenn das alles stimmen würde, was wäre das für eine furchtbare Welt, in der wir leben? Aber zum Glück ist Liebe doch viel mehr.“
    „Eine Erklärung für ein Phänomen wie Liebe macht die Liebe nicht weniger schön!“
    MacLoughlin drehte sich um und legte dem Priester die Hand auf die Brust. „Wir lieben, wie es kommt. Würden wir sonst gerade die lieben, die wir lieben?“
    D’Albret erschauerte. Wie schaffte es diese Frau nur, ihn immer wieder an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen?
    „Nur weil wir verstehen, wie Hummeln fliegen, fallen sie nicht vom Himmel“, stellte MacLoughlin fest und marschierte weiter. Hin und wieder traten sie in Pfützen aus silbernem Mondlicht, wo sich über dem Pfad Lücken in den Baumkronen auftaten.
    „Die Welt ist, wie sie ist. Wissenschaftler versuchen, sie zu erklären. Dadurch wird sie nicht schlimmer“, fuhr MacLoughlin fort.
    „Fordern atheistische Wissenschaftler etwa nicht von uns, den Glauben aufzugeben?“ D’Albret bemühte sich, dicht hinter MacLoughlin zu bleiben, ohne ihr in die Hacken zu treten.
    „Die Wissenschaftler sagen dem Kaiser: ‚Du bist nicht dumm, du hast wirklich keine Kleider an'“, antwortete die Journalistin. „Damit fordern sie ihn noch nicht auf, sich anzuziehen. Sie wollen nur, dass er der Wahrheit ins Gesicht schaut. Und wenn er nicht nackt herumlaufen möchte …“
    „Aber …“
    „Atheisten sagen: Die Existenz Gottes ist so extrem unwahrscheinlich, dass wir ihm keine Mühen und keine Menschen mehr opfern sollten. Wir sind da.“
    D’Albret verstand zuerst nicht, was die Journalistin mit dem letzten Satz meinte. Dann fiel sein Blick auf das, was vor ihnen lag. Auf einer winzigen Lichtung stand eine einzelne Hütte. Die Pfosten, auf denen sie ruhte, wirkten zu

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