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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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dünn, um das Gewicht des Gebäudes zu tragen. Die Hütte selbst schien solide gebaut, mit vier fensterlosen Wänden. Die Tür war mit einem dicken Tuch verhangen. Ein dünner, schwacher Lichtschein fiel von innen auf die Schwelle.
    An einem Gestell vor der Hütte hingen lange, trockene Pflanzen, die leise raschelten, als sie daran vorbeigingen.
    „Was haben Sie vor?“, frage der Priester.
    „Wer immer da wohnt, hat uns sicher längst gehört“, stellte MacLoughlin fest. „Dann sollten wir ihn auch begrüßen.“
    Sie stieg die breiten Sprossen einer kurzen Leiter hoch.
    „Hallo“, rief sie und wartete eine Weile. Dann schob sie den Vorhang beiseite und verschwand in der Hütte. D’Albret folgte ihr. Die Bewegung des Vorhangs ließ die fast heruntergebrannte Kerze flackern, die auf einem Tisch aus rohen Holzplanken stand und den Raum kaum ausleuchtete. Das Innere der Hütte glich dem der anderen Behausungen, die sie bei dem der Shawi gesehen eihawi ge hatten – mit einem deutlichen Unterschied: An den Wänden befanden sich grob gezimmerte Regale mit Schalen und Töpfen, auf dem Boden stand eine Reihe von Krügen. Die tönernen Gefäße waren gefüllt mit Blättern, Stängeln und Flüssigkeiten. Ein Moskitonetz hing über einigen Decken, die dem Besitzer als Nachtlager dienten. Auf dem Hocker daneben lag ein Buch. MacLoughlin hob es hoch.
    „Ein Wörterbuch, das die Sprache der Chayahuita ins Spanische übersetzt“, stellte MacLoughlin erstaunt fest. Sie reichte d’Albret das Buch. „Offenbar wohnt hier der Schamane des Dorfes. Vielleicht sucht er gerade Pflanzen, die ihre Heilkraft nur entfalten, wenn sie bei einer bestimmten Mondphase gepflückt werden.“ Sie kicherte leise.
    „Und dann lässt er die Kerze brennen?“ D’Albret blätterte in dem Buch. Er suchte nicht bewusst danach, doch dann fiel sein Blick auf ein bestimmtes Wort und seine Übersetzung. Matararo. Mörder.
    Mit einem Schlag war es stockfinster. Die Kerze war erloschen. Na, das passt ja, dachte er nervös.
    „MacLoughlin?“
    Die Taschenlampe der Irin leuchtete auf und blendete ihn. Er legte die Hand vor die Augen. „Gehen wir lieber wieder. Wir sind nicht eingeladen, und wer möchte schon Fremde in seiner Wohnung vorfinden, wenn er nach Hause kommt?“
    MacLoughlin wandte sich zum Eingang. „Sie haben recht. Nachher verflucht uns der Mann auch noch.“
    Der Himmel hatte sich vollständig aufgeklart, ein Heer von Sternen überzog das Firmament, ein dichtes Netz aus strahlenden Punkten, deren Licht nicht weniger hell schien als der Mond. Sie konnten auf die Taschenlampe verzichten.
    D’Albret horchte. Wieder war etwas anders als zuvor. Es war die Stille. Nur vereinzelte Zikaden waren noch zu hören.
    MacLoughlin schöpfte mit der Hand etwas von dem tintenschwarzen Wasser aus einer Regentonne neben der Hütte und trank einen Schluck.
    Ein Rascheln am Rand der kleinen Lichtung ließ sie zusammenzucken.
    Für einen Sekundenbruchteil war zwischen den Sträuchern die Gestalt eines Menschen zu sehen.
    Dann hatten die Schatten sie wieder verschluckt.
    Hätte d’Albret nicht noch zwei-, dreimal einen Zweig im Wald knacken gehört, hätte er an eine Illusion geglaubt.
    „Wow, den haben wir aber erschreckt“, flüsterte MacLoughlin verblüfft. „Aber wieso rennt der vor uns weg?“ Sie ging zu der Stelle hinüber, wo die Gestalt aufgetaucht war. „Haben Sie ihn genauer gesehen?“
    „Nein, fast gar nicht“, flüsterte d’Albret zurück.
    „Warum flüstern wir eigentlich?“, fragte die Irin laut. „Der Kerl weiß ja jetzt, dass wir da sind.“ Sie kniff die Augen zusammen und leuchtete in den Wald hinein. „Der hatte sich angemalt“, dachte sie laut nach. „Sah irgendwie fast aus wie ein Zombie, so schwarz und weiß.“ Sie lachte leise. Aber d’Albret hatte das deutliche Gefühl, dass ihr genauso wenig wohl in ihrer Haut war wie ihm.
    „Oder es war ein Albino mit einer riesigen, schwarzen Sonnenbrille“, stellte sie fest. „Als Nächstes stoßen wir auf das Ungeheuer von der schwarzen Lagune. Kennen Sie den Film?“
    „Natürlich“, antwortete d’Albret. „Überspielen Sie gerade Ihre Angst?“
    „Wieso überspielen?“ Die Journalistin streckte die Hand mit der Taschenlampe aus. Das Licht zuckte im Rhythmus ihres zitternden Armes über die Bäume und Sträucher. „Ich habe mir fast in die Hose gemacht. Lassen Sie uns zurückgehen.“
    Sie zog sich das Hemd enger um den Körper. „Hoffentlich fühlt sich der Mann

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