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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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nicht bedroht und lauert uns mit einem Blasrohr auf.“
    D’Albret zog den Kopf zwischen die Schultern. „Meinen Sie das ernst?“
    „Weiß ich auch nicht“, gab MacLoughlin zu. Sie lauschte mit schief gelegtem Kopf in den Wald.
    Das ist alles völlig lächerlich, dachte d’Albret. Es war verrückt gewesen, auf eigene Faust mal eben sf dt mal eo in den Dschungel einzudringen, und es war albern, jetzt vor Angst wie gelähmt hier herumzustehen.
    „Schauen Sie mal“, sagte MacLoughlin und bückte sich. D’Albret blickte ihr über die Schulter. Ein Messer lag auf einem fleckigen Papiertaschentuch auf dem Boden. Die dunkle Klinge glitzerte feucht im Licht der Lampe.
    „Hat der hier ein Tier geschlachtet?“, fragte die Journalistin und schaute sich suchend um. Dann hob sie die Schultern. „Gehen wir zurück“, schlug sie vor. „Mir kommt das langsam doch etwas komisch vor.“
    D’Albret straffte die Schultern. „Soll ich jetzt vorgehen?“
    MacLoughlin reichte ihm die Lampe, und d’Albret übernahm die Führung.
    „Wollen Sie vielleicht jetzt singen?“, fragte der Priester.
    MacLoughlin lachte leise. „Selbst wenn ich das wollte – Sie würden es nicht wollen.“
    „Dann lassen Sie uns doch wieder reden“, schlug d’Albret vor, während er den Strahl der Lampe von links nach rechts wandern ließ.
    „Gern“, stimmte MacLoughlin zu.
    „Was ich vorhin fragen wollte“, begann der Priester: „Wenn unser Verhalten egoistisch ist – und da haben Sie ja nicht widersprochen –, wie kommen dann Selbstlosigkeit oder Nächstenliebe in die Welt? Die müssen doch von Gott kommen.“
    MacLoughlin suchte eine Weile nach den richtigen Worten. „Aufopfernde Fürsorge der Eltern“, sagte sie schließlich, „verbessert die Überlebenschancen der eigenen Kinder. Genetisch gesehen ist das egoistisch, nicht selbstlos. Verwandte teilen ebenfalls viele Gene. Das führt zum Beispiel zum Phänomen der Vetternwirtschaft. Was man einem Vetter Gutes tat, kommt auch dem eigenen Erbgut zugute. Und …“
    „Aber es gibt auch Hass zwischen Kindern und Eltern“, warf d’Albret ein. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Ständig musste er an die unheimliche Begegnung bei der Hütte des Schamanen denken. Konnte es sein, dass ihnen jemand lautlos folgte? Ein Einheimischer hätte sicher kein Problem damit, sie zu überholen und ihnen aufzulauern.
    „Menschen werden auch durch die Umwelt beeinflusst“, erklärte MacLoughlin. „Das kann dazu führen, dass das Band zwischen Eltern und Kind zerreißt. Aber die Tendenz, Verwandte zu bevorzugen, werden Sie nicht leugnen, oder?“
    Und auch Fremde konnten einen Vorteil davon haben, sich zu helfen, wenn sie gemeinsam eher zu einem Ziel kamen. Das funktionierte, solange man sich an das Motto hielt: „Wie du mir, so ich dir.“ Großzügige Unterstützung anderer war ein Mittel, sich einen guten Ruf zu verschaffen. Wer einen guten Ruf hatte, mit dem machte man gern Geschäfte. Außerdem konnte man so demonstrieren, dass man eine wohlhabende und somit gute Partie war.
    „Und die Bereitschaft, gefährliche Risiken für andere einzugehen?“, fragte d’Albret. „Wieso springen Menschen in Flüsse, um Fremde zu retten?“
    Ein Rascheln in den Baumwipfeln zu ihrer Linken ließ ihn zusammenzucken. Aber da oben würde sich der Schamane wohl kaum aufhalten, dachte der Priester.
    „Das signalisiert möglichen Fortpflanzungspartnern: Schau, wie stark, wie toll ich bin, bei mir wird auch der Nachwuchs wohl geraten und gut aufgehoben sein“, erklärte MacLoughlin. „Wenn unsere Vorfahren sich in Stämmen mit vielen Verwandten entwickelt haben, dann waren Gene, die hinter allen diesen Verhaltensweisen steckten, von Vorteil.“
    „Und was ist mit anonymen Wohltaten?“, warf d’Albret ein.
    „Die nutzen dem Spender scheinbar nichts“, gab MacLoughlin zu.
    Eine Erklärung konnte sein, dass es für Eltern in einer Gruppe gut wäre, Kinder so zu erziehen, dass sie bereit waren, für die Gruppe – und damit letztlich für sie – etwas oder sogar sich selbst zu opfern, etwa als Krieger. Starb ein Kind im Kampf, so war dies schmerzlich, aber für die Weitergabe der Gene insgesamt immer noch besser, als wenn der Krieg verloren ging und die Eltern selpfle Elterbst vernichtet wurden. Hier nicht in die Gruppe zu investieren, wäre auf lange Sicht ein Nachteil.
    D’Albret wandte sich um und leuchtete sich selbst ins Gesicht, um MacLoughlin seinen skeptischen Gesichtsausdruck zu zeigen.

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