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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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uns zur Ansicht, dass die Seelen unmittelbar von Gott geschaffen werden.“
    MacLoughlin stieß die Luft aus. Ein riesiger Käfer brummte über den Platz, umkreiste das Feuer in sicherer Entfernung und ließ sich zwischen den Hütten nieder.
    „Kennen Sie die Geschichte vom Wettrennen zwischen dem Hasen und dem Igel?“, fragte die Journalistin. „Der Hase läuft und läuft hin und her, und der Igel und seine Frau, die der Hase nicht unterscheiden kann, haben sich am Wendepunkt und am Ziel aufgestellt und behaupten immer nur: ‚Ich bin schon hier.‘ Die Religionen schummeln genau wie der Igel und behaupten ebenfalls, sie wären schon da. Aber selbst die größten Rätsel geben nach und nach ihre Geheimnisse preis. Der Spielraum für den Igel wird langsam eng.“
    Sie streckte die Beine von sich und gähnte.
    „Es ist Zeit, den Regenbogen zu bewundern, ohne ihn für ein Wunder zu halten.“
    D’Albret stocherte schweigend mit einem Ast im Feuer. Funken stiegen in den Himmel, wo sie sich wie kleine Sterne zu ihren unendlich weit entfernten Verwandten gesellten.
    Samstag, 20. Juni, am Nebenarm des Río Supayacu, Peru
    Als Pérez am Morgen von den Brüllaffen geweckt wurde, lauschte er den Tieren voller Freude. Vielleicht war es dieselbe Gruppe, die er schon beim letzten Mal hier gehört hatte.
    Er kämpfte sich aus dem Zelt und überprüfte seine Stiefel. Tanriverdi stand gebückt über einem kleinen Teppich vor seinem Zelt. Dann kniete er sich hin, ohne auf den Studenten zu achten.
    Pérez ging zum Fluss hinunter. Im grauen Licht der Morgendämmerung zerflossen die Konturen des Waldes um ihn herum. Am Ufer hatten die Paläontologen eine Plane über den südlichen Teil der Sandbank gelegt. Er schaute versonnen hinüber. Sein Fossil. Er war versucht, unter die Plane zu schauen, um zu sehen, wie weit Revilla den Schädel inzwischen freigelegt hatte. Aber er ließ die Finger davon. Nicht dass jemand dachte, er wollte den Fund manipulieren oder die Arbeit sabotieren.
    Er machte sich frisch und kehrte zum Lager zurück. Tanriverdi hatte sein Gebet beendet und war dabei, Kaffee zu kochen. Auch in den Zelten der Paläontologen rührte sich etwas. Angelockt vom Duft des Kaffees steckte Revilla seinen Kopf heraus. Zehn Minuten später saßen sie zu viert um den Gaskocher.
    Pérez hatte den vorherigen Tag darauf gewartet, dass Revilla endlich einmal etwas zu dem Fossil sagen würde. Aber der Wissenschaftler arbeitete mit zusammengekniffenen Lippen an dem Knochen, legte ihn langsam Stück für Stück frei, Tanriverdi ständig im Nacken. Wenigstens hatte der Kreationist nicht mehr versucht, Revilla oder einen der anderen in eine Diskussion zu verstricken.
    Zugleich mit der langsamen Routine der Paläontologen kroch für Pérez eine lähmende Langeweile ins Lager. Es gab für ihn und Tanriverdi nichts anderes zu tun, als auf Revillas Rücken zu starren, den Blick über den Fluss schweifen zu lassen oder im Himmel die Wolken zu zählen, bis wieder ein Regenschauer sie zwang, in Deckung zu gehen. Fast war Pérez versucht, von sich aus Diskussionen mit Tanrirauen mit verdi vom Zaun zu brechen, nur damit etwas geschah.
    Und immer wieder, immer häufiger dachte er an den eingebrochenen Tunnel unter dem Lager der Bohrfirma. Je länger er hier zum Nichtstun verurteilt war, umso stärker spürte er die Anziehungskraft, die von diesem schwarzen, unerklärlichen Loch ausging. Am vergangenen Abend hatte er sich dann entschieden. Er würde heute eine eigene kleine Expedition zu dem Camp machen und schauen, was dort vor sich ging. Mehr als wegjagen, würden ihn die Polizisten, die vermutlich bereits dort waren, wohl kaum.
    Als Pérez den anderen seine Pläne mitteilte, griff Tanriverdi nach seinem Arm.
    „Ich habe mich überzeugt davon, dass Professor Revilla den Schädel ernsthaft untersucht“, sagte er. Der Wissenschaftler ließ diese Beleidigung schweigend über sich ergehen. „Und ich habe selbst auch alles sehr genau dokumentiert. Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich gern an dem Ausflug teilnehmen.“
    Pérez war nicht begeistert. Aber was solls?, dachte er.
    Eine halbe Stunde später waren sie am Ziel. Diesmal war es nicht der Geruch, der Pérez zuerst anzeigte, dass sie in der Nähe des Lagers waren – es waren die typischen Geräusche menschlicher Gegenwart. Hier lachte jemand leise, dort fluchte ein anderer. Dann brüllte jemand einen Befehl.
    Erschrocken prallte Pérez zurück, als aus einem Gebüsch vor ihnen ein

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