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Mythos

Mythos

Titel: Mythos
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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von Gewebe und Leder lagen um die menschlichen Überreste, und zwei der Skelette trugen noch immer die eisernen Harnische der Konquistadoren um den Brustkorb geschnallt.
    „Juan de Menéndez, Jerónimo Falcón, Juan de Valera und Ramírez de Guzmán“r Ze Guzm, sagte Tilly leise. „Die Spanier, die Ritz begleitet haben und dann hier gestorben sind.“
    MacLoughlins Bemerkung erinnerte sie an etwas. Auch die Azteken in Mexiko hatten die Herzen ihrer Opfer der Statue einer ihrer Gottheiten in den Mund gestopft.
    Sie pustete die dicke Staubschicht von einer Brustplatte. Feine Ziselierungen bedeckten das Metall. Dann lenkte d’Albret ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren Gegenstand, der unter einem der Skelette lag.
    „Eine vierkantige Espada Ropera“, flüsterte die Historikerin und legte die Finger um den Griff über der breiten Parierstange des langen, schmalen Rapiers. Wie von selbst fand der Zeigefinger die richtige Position in dem aus elegant gebogenen Eisenstangen geschmiedeten Korb. Auch die lange, schmale Klinge war unterhalb des Griffes fein verziert. Die Spitze des Schwertes war abgebrochen. Kopfschüttelnd legte sie die Stichwaffe zur Seite. Dann fiel ihr auf, dass etwas fehlte.
    Es war kein einziger Schädel zu sehen.
    MacLoughlin und d’Albret räumten die Knochen der Spanier zur Seite, um Platz für sich selbst zu schaffen. Dann hockten sie sich auf den Boden, löschten das Licht und lauschten, jeder für sich, in die Finsternis.
    Sonntag, 21. Juni, Tunnelsystem östlich des Río Nahuati, Peru
    York fühlte kaum Schmerzen. Er wusste, dass er von den Kugeln aus van der Merwes Waffe getroffen worden war. Er spürte, dass er schwächer wurde. Wenn sich sein Brustkorb beim Atmen hob und senkte, tat es weh. Aber sonst fühlte sich sein Körper nur taub an. Selbst die Wunde am Fuß spürte er nicht mehr. Er konnte seine Glieder noch ein wenig bewegen, aber die Leitungen zurück zum Gehirn funktionierten nicht mehr.
    Vor allem aber war er furchtbar müde.
    Es war finster. Er kam sich unendlich verloren vor. Hier lag er, ganz allein, zurückgelassen inmitten eines unermesslich großen Schatzes, auf dem Zenit seiner beruflichen Laufbahn – mit zwei Kugeln im Leib.
    Seine Hilflosigkeit machte ihn so wütend, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Den Bereich, in dem Angst über Panik und Schock in Gelassenheit überging, hatte er schon weit hinter sich gelassen.
    Jemand näherte sich. York nahm auch das ohne Angst zur Kenntnis.
    „Wie geht es dir?“ Die Stimme des verhassten Niederländers an seinem Ohr war sachlich, ohne jegliches Gefühl. „Verdammtes Pech, was?“
    Wieso konnte der Bursche trotz der völligen Finsternis etwas sehen?, fragte sich York. Dann fiel ihm das Nachtsichtgerät ein.
    „Ich tue dir nichts“, sagte van der Merwe, „bleib ruhig. Wenn du an Gott glaubst, dann würde ich an deiner Stelle jetzt beten.“ Er entfernte sich wieder. „Warum musstet ihr auch ausgerechnet jetzt hier auftauchen“, sagte er. „Dumm für mich und dumm für euch.“
    „Arie“, stieß York hervor, „warum tust du das?“ Er ballte die Fäuste. „Wie kann man Menschen einfach umbringen, die einem nichts getan haben?“
    Die Stimme des Niederländers näherte sich wieder. „Ach, weißt du, das ist nicht so schwer, wenn einem die anderen einfach egal sind.“
    Er hockte sich neben dem Amerikaner nieder. „Ich habe mich auch schon gefragt, was der Unterschied ist“, sagte er nachdenklich. „Ich möchte ein schönes Leben leben, und ich mag Aufregung. Dann fühle ich mich am besten. Und wenn einem die anderen Leute egal sind und man nur an sich selbst denkt, dann bietet sich das doch an, so einen Job zu machen.“
    Der Niederländer setzte sich den Geräuschen zufolge einen Rucksack auf.
    „Ich versuche hin und wieder, mir vorzustellen, wie es ist, ein anderer zu sein. Wie andere Menschen sich fühlen, wenn sie Angst haben. Aber dann merke ich immer, es ist mir gleich. Ich habe keine Lust, mich mies zu fühlen wegen Dingen, die anderen passieren. Geht mich nichts an. Mir hat auch keiner was geschenkt. Und wenn du in meinen Weg kommst, dann bist du ebeninebist du im Weg. Ist eigentlich ganz einfach, oder?“ Er richtete sich auf. „Und ich kann Leuten wie euch zum Glück diese anderen Gefühle vorspielen, die ihr so wichtig findet. Aber es ist nun mal einfach so …“ Er klopfte sich lachend gegen die Brust, „ich bin der König der Welt.“
    York begriff, dass van der Merwe ihm das alles nicht
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