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Mythos

Mythos

Titel: Mythos
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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die Avenida de la Constitución. Sie hielt sich im Schatten der Banken und Cafés gegenüber der Kathedrale und des berühmten Orangenhofes. Dann stand sie unter den roten Markisen des Café de Indias. Sie suchte sich einen Platz an einem der kleinen Tische auf der Galerie des gete,lerie dräumigen, hellen Cafés. Hier oben war weniger los, und der Fernseher, der im Erdgeschoss lief, lenkte sie nicht ab. Alle paar Minuten kam draußen die Straßenbahn vorbei, dafür fuhren hier keine Autos.
    Tilly startete ihren Laptop und legte die Kopien des Briefes von Gaspar Riz de Santo Galo daneben. Viele Dinge, die dieser Riz angesprochen hatte, waren ihr ein Rätsel. Und sie brauchte unbedingt Klarheit, um dem Dokument vertrauen zu können. Sie musste mit jemanden reden, der sich auskannte.
    Es gab in Deutschland relativ wenige Fachleute, die sich mit den Aktivitäten des Handelshauses der Welser in Venezuela beschäftigt hatten. Einer davon war Georg Ortenburg, emeritierter Professor der Universität Bamberg. Sie hatte ihn per E-Mail kontaktiert, sich als Journalistin ausgegeben und eine freundliche Reaktion erhalten. Vielleicht war jetzt der richtige Augenblick, um sich bei ihm zu melden.
    Der Professor hob nach wenigen Sekunden ab.
    „Und was kann ich nun für Sie tun?“, fragte er mit einer Stimme, die überhaupt nicht nach einem alten, staubigen Geschichtsprofessor klang.
    „Ich habe im Archivo General de Indias ein Dokument gefunden, das mit Philipp von Hutten in Zusammenhang steht und das ich nicht einordnen kann“, erklärte Tilly.
    Der Professor war nicht beeindruckt. „Ja, davon gibt es dort ein paar. Wahrscheinlich habe ich es auch schon in der Hand gehabt oder einer meiner Studenten. Und Sie konnten das lesen?“
    „Ja, ich … bin von Haus aus Paläografin.“ Tilly räusperte sich. „Ich glaube aber nicht, dass Sie dieses Papier kennen. Es ist ein Brief, der an von Hutten gerichtet ist. Und er steckte zwischen Dokumenten, in denen man nicht danach suchen würde, weil sie eigentlich Fray Bartolomé de Las Casas betreffen.“
    Ortenburg horchte auf. „Las Casas? Das ist ungewöhnlich. Und wer hat den Brief geschrieben?“
    „Ein Gaspar Riz de Santo Galo hat ihn im September 1539 in Trujillo in Peru einem Boten übergeben. Einem spanischen Konquistador namens Juan de la Torre.“ Sie war gespannt auf seine Reaktion.
    „Peru?“ Ortenburg wirkte überrascht. „Haben Sie das richtig übersetzt? Und heißt der Mann wirklich Gaspar und nicht vielleicht Joaquin?“
    „Nein, Gaspar. Wer war denn Joaquin Riz?“
    „Tja, wenn man das wüsste“, seufzte Ortenburg.
    Joaquin Riz war der spanische Name für Joachim Ritz. Die Spanier hatten Schwierigkeiten mit den deutschen Namen gehabt. Welser war zu Belzer geworden, Philipp von Hutten zu Felipe de Urre und Joachim Ritz zu Joaquin Riz. Über den allerdings nur wenig bekannt war. 1537 hatte er für die Welser in deren Handelshaus in Santo Domingo gearbeitet. Dokumente belegten, dass er sich hin und wieder in Coro in Venezuela aufgehalten hatte.
    „Und wer ist nun Gaspar Riz?“, fragte Tilly.
    Diesmal musste Ortenburg sie enttäuschen. „Also auf Deutsch Caspar Ritz. Von dem habe ich noch nie gehört.“ Er brummte nachdenklich. „Man müsste die Passagierlisten im Indienarchiv durchsehen. Vermutlich ein Bruder, Onkel oder Neffe von Joachim Ritz. Die Vertreter der Welser in Spanien und Venezuela stammten ja fast alle aus Familien aus dem oberschwäbisch-schweizerischen Raum. Caspar Ritz war also ein Faktor oder Landsknecht in ihrem Dienst. Aber …“ Ortenburg brach ab.
    „Aber?“, hakte Tilly nach.
    „Was macht ein Caspar Ritz aus Sankt Gallen 1539 in Peru? Das ist wirklich seltsam. Was steht denn in dem Brief an von Hutten? Können Sie mir eine Kopie davon schicken?“
    Tilly räusperte sich erneut. „Ich würde Ihnen gern einen Vorschlag machen“, begann sie. „Ich schicke Ihnen eine Kopie, und dafür geben Sie mir eine kurze Übersicht über die Geschichte von Philipp von Hutten und den Welsern in Venezuela. Und vielleicht könnten Sie versuchen, vor allem die Dinge zu berücksichtigen, die in dem Brief angesprochen werden.“
    „Von mir aus können wwüus könir das so machen“, stimmte Ortenburg zu.
    „Wunderbar“, sagte Tilly. „Und bitte behandeln Sie diese Sache im Augenblick noch vertraulich.“
    „Wenn Sie das wollen. Sie haben die Dokumente schließlich entdeckt“, versicherte ihr der Professor.
    „Eine Frage hätte ich jetzt noch.
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