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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Taschenlampe fiel, erinnerte er sich an die nächtlichen Ereignisse. Die Schreie. Ein Schuss. Jetzt erschien ihm das alles so irreal. Hatte er vielleicht doch nur geträumt?
    „Wahrscheinlich“, sagte er laut und lauschte auf seine eigene Stimme. Das war eine der Folgen der Einsamkeit hier draußen. Man begann, mit sich selbst zu reden, um eine menschliche Stimme zu hören – und sei es nur die eigene.
    Er öffnete das Zelt und trat hinaus. Über dem Fluss hing ein feiner Nebelschleier, der sich in den Wald fortsetzte. Ein verwaschener gelber Fleck über den Bäumen im Osten verkündete das Erscheinen der Morgensonne. Ein großer Vogel flog lautlos über den Fluss, die Klauen tauchten kurz ins Wasser und hinterließen einen Ring kleiner Wellen.
    Pérez schüttelte seine Schuhe aus und fuhr dann mit einem Stöckchen hinein. Offenbar hatten sich weder Skorpione noch Schlangen darin niedergelassen. Er ging hinunter zum Fluss, suchte die Wasseroberfläche nach dunklen Erhebungen ab, aus denen kalte Reptilienaugen starrten. Aber wenn ein Kaiman in der Nähe war, blieb er verborgen.
    Pérez wusch sich das Gesicht. Er füllte seinen Aluminiumtopf mit Wasser und kochte sich einen Kaffee. Die Energieriegel gingen ihm aus. Aber heute sollte sowieso der letzte Tag hier draußen sein. Spätestens morgen würde er in einem der Indiodörfer wieder etwas Richtiges essen.
    Er spülte das Geschirr im Fluss aus und schaute nachdenklich auf das Wasser. Seine kleine Expedition war bislang ein voller Erfolg gewesen – und heute sollte sie ihren Abschluss finden. Sollte er sich da von einem Albtraum ablenken lassen?
    Er klaubte einen Stein vom flachen Uferstreifen und schleuderte ihn ins Wasser hinaus. Der Gedanke an das nächtliche Ereignis machte ihn nervös. Er musste das möglichst schnell vergessen.
    Erneut bückte er sich, um einen Stein aufzuheben, der aus der lehmigen Böschung ragte. Doch das war kein Stein. Es sah eher aus wie ein Knochen, der im Boden steckte.
    Neugierig legte er etwas mehr von dem krummen Gebilde frei. Ein menschlicher Knochen war es nicht, dachte er erleichtert. Aber es war ein Knochen. Ein sehr alter Knochen. Vielleicht ein Fossil?
    Aufgeregt betrachtete er die Umgebung mit völlig neuen Augen. Der Fluss hatte hier in die Flanke eines sanften Hügels geschnitten und tiefer liegende Schichten aus Ton und Sand freigelegt, die sich zu Lehm vermengt hatten. Und darin befanden sich offenbar die versteinerten Überreste von Tieren.
    Tatsächlich, hier schauten zwei kleine Zacken heraus, die zu einem Wirbel gehören konnten. Und dort …
    Wie hatte er das übersehen können? Am Ende des flachen Ufers ragte eine sanft nach unten gewölbte, etwa eineinhalb Meter lange Struktur aus der Böschung. Entlang der freiliegenden Längsseite und in der abgerundeten Spitze saß eine lange Reihe von Vertiefungen. Alveolen, dachte Pérez, knöcherne Zahnfächer. Aus einem der Löcher ragte sogar ein Zahn in die Höhe. Ein fünf Zentimeter langer Zahn mit abgebrochener Spitze.
    Er schüttelte ungläubig den Kopf. Das war eine Sensation!
    Er fuhr sich über die Augen. Als er die Hand wieder wegnahm, war der Schädeze der Scl noch immer da. Ein Grinsen breitete sich über seinem Gesicht aus. Auf Zehenspitzen ging er hinüber zu dem Fossil und beugte sich darüber.
    Was für ein Tier konnte das sein? Ein Dinosaurier wie der Tyrannosaurus rex ? Er wusste, dass in den Anden bei Bagua Dinosaurierknochen gefunden worden waren. Es gab Ausgrabungen in der Wüste an der Westküste. Und in den Bergen um Ancash waren Hunderte Dinosaurierspuren freigelegt worden. Er hatte sogar von seltenen Fossilfunden im Amazonasdschungel gehört, in Brasilien oder Venezuela. Aber seines Wissens hatte in diesem Teil von Peru noch nie jemand Fossilien entdeckt.
    Und jetzt kam er und entdeckte gleich einen ganzen Schädel!
    Er ballte die Fäuste, legte den Kopf in den Nacken und machte seiner Begeisterung Luft: „Jiiiiiaaaa!“
    Dann tanzte er um den Schädel herum, sprang in den flachen Fluss, bis die Wasserfontänen ihn von oben bis unten durchnässt hatten. Schließlich blieb er außer Atem vor dem Fossil stehen.
    „Möglicherweise wird man dich nach mir benennen“, flüsterte er. Vielleicht würde ihm diese Entdeckung ein wenig Unsterblichkeit verschaffen.
    Er beugte sich erneut über seinen Fund. Vorsichtig kratzte er mit einem kleinen Ast eine Schicht Lehm aus dem Schädel und legte so die Augenhöhlen frei.
    „Madre de Dios!“, entfuhr es ihm.

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