Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
Vom Netzwerk:
Ein kurzer, flacher Zahn hatte sich neben einem der Augen in die Hirnschale gebohrt. Spuren eines urzeitlichen Kampfes der Titanen? Welcher Gegner mochte diesem Riesen in den Kopf gebissen haben? Auf jeden Fall war das hier nicht nur ein weiteres Fossil unter vielen, sondern eines mit ganz besonderen Merkmalen. Eines, über das vielleicht sogar die Medien berichten würden.
    Er holte seine Digitalkamera und knipste die Fossilien auf der Sandbank. Vor allem den Schädel fotografierte er aus den verschiedensten Perspektiven. Weiter freilegen durfte er seinen Fund auf keinen Fall, das mussten die Paläontologen machen, die anhand der Sedimente am Fundort das Alter der Knochen bestimmen konnten. Er würde sie hierherbringen und sich an der Ausgrabung beteiligen. Da konnte der Abschluss seiner Doktorarbeit ruhig noch eine Weile warten.
    Wie in einem Drogenrausch packte er seinen Rucksack und baute das Zelt ab. Plötzlich fiel sein Blick auf sein Aufnahmegerät. Er hatte es am Abend völlig vergessen. Spät in der Nacht war der Speicher des MP3-Players voll gewesen und das Gerät hatte sich selbst abgeschaltet.
    Dann würden doch auch alle Geräusche drauf sein, die ihn geweckt hatten?
    Er schaltete den Player ein und hörte sich die letzte Aufnahme an. Da war der Schrei der Eule wieder und seine eigenen Geräusche beim Verlassen des Zeltes. Er hörte die Explosion. Seine Rückkehr. Anschließend hatte das Gerät eine lange Zeit nur den gewöhnlichen nächtlichen Dschungel belauscht.
    Als plötzlich leise Schreie aus dem Kopfhörer drangen, fuhr Pérez zusammen. Deutlich war die ferne Stimme eines Menschen in höchster Not zu hören, die ihn vermutlich geweckt hatte. Wie in der Nacht bekam er eine Gänsehaut und zuckte zusammen, als noch einmal, klar und deutlich, der Schuss zu hören war.
    Er biss sich auf die Unterlippe. Da war etwas Schlimmes passiert. Vielleicht sollte er schleunigst verschwinden. Er schulterte den Rucksack und trat auf die Böschung. Dann blieb er stehen.
    Wenn er jetzt abhaute, würde er sich für den Rest seines Lebens fragen, was da geschehen war. Vielleicht waren Menschen in Not und brauchten Hilfe. Er rieb sich mit der flachen Hand den Bauch.
    War das jetzt einer dieser Augenblicke im Leben, wo sich zeigte, ob man mutig war, ein ganzer Kerl, oder aber ein Feigling?
    Ein Feigling? Nein, verdammt nochmal, das war er nicht.
    Eine Viertelstunde später war er unterwegs im Dschungel und bewegte sich vorsichtig in die Richtung, aus der am Abend die Explosion gekommen war. Diesmal markierte er den Weg deutlich, wobei Auglich, wer allerdings mit der Machete keine Kerben in die Stämme der Bäume schlug, sondern nur leise Stücke von der Rinde absäbelte.
    Ein Regenschauer prasselte auf die Baumkronen, das Wasser tropfte von den Blättern der hohen Bäume auf die darunter wachsenden Pflanzen und landete schließlich mit einiger Verspätung auf Pérez’ schlappem, grauem Jeanshut. Die Luftfeuchtigkeit nahm zu, der Geruch des Dschungels wurde intensiver. Plötzlich stellte Pérez fest, dass er jetzt seiner Nase folgen konnte. Ein feiner Geruch von kalter Asche und einem Hauch von Benzin zog durch die Bäume. Weit vor ihm schien sich der Dschungel zu lichten. Vermutlich war er kurz vor dem Ziel.
    Langsam ging er weiter – und stolperte über einen Draht. Während er sich aufrappelte, sah er ein massives, kleines Plastikteil, das vor ihm auf dem Boden im Laub lag. Der Draht führte von dem Gerät zur Lichtung hinüber. Als er es hochheben wollte, stellte er fest, dass es mit einem langen Eisendorn in die Erde gesteckt worden war. Ein Geofon, vermutete er. Dann hatte die Explosion am Abend tatsächlich zu einer seismischen Messung gehört.
    Jetzt roch er auch Urin und Fäkalien. Aber etwas fehlte: Geräusche, Stimmen, das Tuckern eines Generators.
    Vorsichtig näherte er sich weiter der Lichtung. Durch die Bäume erkannte er am Rand der kürzlich gerodeten Fläche einen großen, blauen Container mit einem ihm unbekannten Logo, dahinter einen zweiten. Darüber ragte eine Struktur in die Höhe, die zu einem mobilen Bohrturm gehören musste. Als er den Rand der Lichtung erreicht hatte, bestätigte sich seine Vermutung. Zwischen dem wenige Meter hohen Bohrturm und einem Dieselgenerator stapelten sich die Bohrkopfverlängerungen. Die Container, es waren insgesamt fünf, waren mit Türen und Fenstern versehen.
    Pérez schaute sich um. Auf so einer Anlage hätte er mit zehn, 20 oder sogar 30 Arbeitern gerechnet.

Weitere Kostenlose Bücher