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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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mit genetischen Ursachen.“
    MacLoughlin rieb sich nachdenklich das Kinn. „Alle Heilungen betreffen Krankheiten, bei denen auch Spontanheilungen vorstellbar sind.“
    Sie blickte Merdrignac an. „Ich vermisse die Fälle, wo das unmöglich wäre. Nachgewachsene Glieder. Die Regeneration von durchtrenntem Rückenmark. Und unter den anerkannten Wunderheilungen sind nur drei Krebsfälle. Angesichts der vielen Krebspatienten, die Lourdes besuchen, scheint ein Aufenthalt dort die Rate von Spontanheilungen sogar zu senken.“
    „Aber wenn Sie nicht an Wunderheilung glauben“, warf d’Albret ein, „was ist denn mit Wundern überhaupt? Zum Beispiel mit dem Sonnenwunder von Fátimeilr von Fa?“
    Der Priester beugte sich vor, soweit es sein Gurt zuließ. „Mindestens 30’000 Menschen haben 1917 gesehen, wie die Sonne am Himmel getanzt und bunte Lichter auf die Erde geworfen hat, nachdem die Heilige Jungfrau drei Hirtenkindern für diesen Tag ein Wunder angekündigt hatte. Haben die alle gelogen?“
    „Aber warum hat sonst auf der betroffenen Hemisphäre niemand gesehen, dass die Sonne ihre gewöhnliche Bahn verlassen hat?“, fragte MacLoughlin. „Übrigens hätte das schwerwiegende Folgen für unser ganzes Planetensystem gehabt. Aber keine einzige Sternwarte, kein einziger Astronom hat etwas Ungewöhnliches beobachtet.“
    MacLoughlin schüttelte den Kopf. „Haben Sie aber in Erwartung eines Wunders, umgeben von Tausenden aufgeregten Menschen, mal für eine Weile direkt in die Sonne geschaut? Es wäre ein Wunder, wenn das nicht zu einer verzerrten Wahrnehmung und deutlichen Nachbildern führen würde.“
    „Gott kann die Naturgesetze, die er geschaffen hat, außer Kraft setzen, wo, wann und wie er will“, stellte d’Albret fest.
    „Okay“, sagte MacLoughlin. „Warum dann ein Ereignis, das sich leicht anders erklären lässt? Vielleicht ist es für Sie nur schwer vorstellbar, das Zehntausende Menschen alle eine ähnliche Halluzination erleben. Aber es ist leichter vorstellbar als eine tanzende Sonne, die sonst niemand auf unserem Planeten bemerkt.“
    „Also, ich halte es mit Papst Johannes Paul II. Der war auch überzeugt, dass die Hand unserer lieben Frau von Fátima die Kugel bei dem Attentat auf ihn abgelenkt hatte, sodass er nicht tödlich verletzt wurde.“
    „Die liebe Frau von Fátima?“ MacLoughlin lächelte ihn an. „Womit war die liebe Frau von Lourdes in der Zeit beschäftigt?“
    Sie schaute von einem zum anderen. „Wunder“, schloss sie, „sind ein Mythos.“
    Merdrignac erwiderte ihren Blick, doch sein Gesichtsausdruck war schwer zu interpretieren.
    „Ich unterbreche Sie nur ungern“, sagte der Pilot. „Aber wir sind gleich am Ziel.“
    Er begann eine unverständliche Konversation mit seinem Funkgerät.
    Tilly sah hinaus. Die Berge unter ihnen wurden flacher, zwischen ihren Ausläufern lag Jaén, umgeben von landwirtschaftlichen Flächen, in einem engen Tal. Sie überflogen die Stadt, folgten dem Verlauf des Tales Richtung Nordosten, bis der Pilot eine letzte Hügelkette in einer engen Linkskurve überflog. Vor ihnen tauchte eine lange, schmale Asphaltpiste auf, eingerahmt von grasbedeckten Hügeln und Äckern.
    „Shumba Aeropuerto“, erklärte der Pilot. „Von hier sind es noch 30 Minuten mit dem Auto nach Jaén.“
    Die Cessna sackte tiefer, die Landebahn füllte beängstigend schnell die Cockpitscheibe aus. Tilly stützte sich mit den Händen am Rand des Armaturenbrettes ab. Mit einem missbilligenden Quietschen nahmen die Räder Bodenkontakt auf. Sie rollten an einigen großen Transporthubschraubern russischer Bauart vorbei, plumpe, stumpfnasige Busse mit Rotoren und kleinen Bullaugen. Dutzende Männer in Tarnuniformen stiegen gerade aus einer großen, zweimotorigen Propellermaschine. Überrascht las Tilly die Aufschrift „Policía“.
    Die Polizisten trugen Helme, schwarze Schutzwesten und automatische Waffen. Große, rechteckige Plastikschilder lagen aufgeschichtet am Rande der Piste. Gepanzerte Transporter und Geländewagen waren unterwegs zum Flughafengebäude, einem flachen, schlichten Bau mit blauen Wänden und rotem Dach, mehr ein Schuppen als ein richtiges Haus, überragt von einer einfachen Antenne.
    „Dinoes“, las Tilly auf den Transportern.
    Der Pilot schnaubte. „Die Dirección de Operaciones Especiales, eine Spezialeinheit der Polizei, die immer dann geholt wird, wenn die Indios was aufs Maul kriegen sollen, weil die Regierung meint, sie sperren es zu weit

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