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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Sofa. Wenn du willst, schlaf ruhig«, sagte ich und gab ihm noch ein Glas Wasser. Wie vorhin trank er es ohne ein Wort aus. Als es still wurde, hörte man plötzlich wieder von draußen das Prasseln des Regens. Es schüttete immer heftiger.
    »Tut mir leid«, sagte Otohiko.
    Ich setzte mich auf den Boden und sagte: »Gehts dir besser? – Dann erzähl, was wolltest du mich fragen?«
    »Ja, sofort, gleich … ’n kleinen Moment noch.«
    »Ist es was Schlimmes?«
    »Für mich ja …« Sprachs und schloß die Augen. Das Prasseln des Regens schwoll wieder an, der Wind rüttelte an den Fenstern. Ein Lärm, als würde es für immer und ewig weiterstürmen.
    »Schlaf nicht ein. Mir ist unheimlich.« Ich rüttelte ihn wach.
    »… Mm, ich schlaf gar nicht. Ich mach auf alle Fälle ne Kopie. Vorsichtshalber«, sagte er.
    »Wovon redest du?«
    »Von der achtundneunzigsten Erzählung. Seinem Vermächtnis.«
    »Wieso? – Nein, nicht! Warte, schlaf nicht ein, ich hab Angst.«
    Ich holte noch ein Glas Wasser und hielt es ihm hin:
    »Hier, trink das und erzähl.«
    Er nickte, trank einen Schluck und sagte: »Außerdem, du willst doch bestimmt gar nicht mehr an ihn erinnert werden, oder?«
    »An wen? Sh ō ji?«
    »Ja. Ist sicher schwer für dich, und wahrscheinlich hast du kein Interesse mehr an der Erzählung meines Vaters. Jedenfalls nicht so wie früher. Für dich ist das vergangen und vorbei, oder …? Wir hängen noch voll drin, aber bei dir ist das anders. Oder seh ich das falsch?«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Ich und Saki und …«
    »Und sie«, sagte ich.
    »Ja. Für uns ist die Zeit damals stehengeblieben. Während sich bei dir viel getan hat, sind wir keinen Millimeter aus der Sache rausgekommen.«
    »Das mag stimmen, aber zumindest was Saki angeht, hab ich schon mal keine Probleme, im Gegenteil … Was sie für ein Mensch ist, weiß ich zwar nicht, aber diese Erzählung und alles, was damit zu tun hat, hab ich jedenfalls nicht vergessen. Schließlich war ich die ganze Zeit in die Sache verwickelt und bin froh, endlich Leute gefunden zu haben, mit denen ich darüber reden kann – und das gilt natürlich auch für dich. Soviel ist sicher.«
    »Stimmt, du hängst auch mit drin, von Anfang an. Hast du das nicht satt? Und jetzt belagern wir dich auch noch!«
    »Solange ihr mich nicht ausnutzt …«
    »Bestimmt nicht. Ehrenwort!«
    »Dann ists gut.«
    »Wir drei sehen keinen Ausweg mehr, sind völlig hilflos. Du bist vielleicht unsere letzte Chance. Ich hab jedenfalls das Gefühl, daß du den Faden hältst, der uns da rausführen kann.«
    »Mm … mag sein.« Aber ich wußte nicht recht.
    »Kommst du in Gefahr, wenn du keine Kopie machst?«
    »Nee, wahrscheinlich nicht. Aber so ein Vermächtnis ist wertvoll und deshalb, für alle Fälle.«
    »Verstehe«, behauptete ich. »Aber, wie soll ich sagen, was ist so schlimm dabei? Sh ō ji ist nicht mehr, und auch dein Vater ist schließlich schon lange tot. Was läßt dich so … na ja, verzweifeln?« ( ›Theatralisch‹ verkniff ich mir.)
    »Um mich gehts gar nicht. Und außerdem, Frauen haben etwas Dämonisches«, sagte er.
    Langsam dämmerte es mir. »Damit meinst du sie?«
    »Du wirst ihr sicher bald begegnen«, sagte Otohiko.
    »Und dann, dann wirst du garantiert mit in die Sache hineingezogen, früher oder später. Du bist so ’n Typ.«
    »Wie wird das alles bloß ausgehen?« fragte ich.
    »Ach, wir werden alle älter und älter, und irgendwann, mit ausreichender Reife, geht alles von selbst zu Ende«, sagte er. Ich mußte lachen. »Es reicht, es reicht, so weit brauchst du auch wieder nicht zu denken.«
    »Die Reise und die Hektik danach stecken mir noch in den Knochen.«
    »Scheint so.«
    Das Prasseln des Regens machte mich unruhig. Lange schon hatte mich das sichere Gefühl befallen, in eine ziemlich neurotische Sache hineingezogen zu werden. Ein Gefühl wie damals, derselbe Druck, der mir als Kind die Kehle zugeschnürt hatte. Von Ferne donnerte es. An der Fensterscheibe rannen die Regentropfen hinunter und verwässerten das Licht der Straßenlaterne gegenüber zu bleichem Schein. An diesem Abend konnte ich selbst auf Sakis Lächeln nicht vertrauen. Es schien so weit weg.
    »Aber ich hab dich falsch eingeschätzt. Ich hab jetzt gemerkt, du bist viel lebendiger als ich dachte, voller Neugierde.«
    »Tja, nichts ist so schlimm, wie’s aussieht.«
    »Ich sag jetzt nichts mehr. Alles weitere wird sich zeigen.«
    »Wenn du das schon eingesehen hast, wird sicher alles gut«,

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