Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
Vom Netzwerk:
wollte aber erst die Ursachen für alles vollständig offenlegen und verstehen, ehe ich die Sache in Angriff nehme. Unterdessen habe ich andere Interessen entdeckt und angefangen, Psychologie zu studieren. Aber das ist gut so, ich will möglichst viel ausprobieren«, sagte Saki.
    »Ich hoffe jedenfalls auch, daß eines Tages eine vollständige japanische Ausgabe des Buchs erscheinen wird. Wenn du also jemanden brauchst, der dir beim Übersetzen hilft – jederzeit. Keine Sorge, Shōji hab ich damals auch schon geholfen, und ich lebe noch!« lachte ich.
    »Als würden wir über Nitroglyzerin und Zyankali reden!«
    »Für uns scheint es so was in der Art zu sein.« Als ich das sagte, nickte Saki heftig.
     
    Irgendwie gutgelaunt verließen wir das Lokal. Auf diesen Sommer konnte ich mich freuen. Das Pflaster draußen war noch ganz warm. Ich sagte: »Laß uns öfter zusammen essen gehen, von mir aus auch zu Mittag oder so.«
    »Ja, ich möchte noch über so vieles mit dir reden. Ich freue mich auf den Sommer!« Saki lachte und sah mich an. Das muß Telepathie sein, dachte ich. Wir verabschiedeten uns wie alte Freunde.
    Als sie weg war, fiel mir auf, wie wenig sie von ihrem Bruder gesprochen hatte. Mir war klar, daß das in dem Alter ganz normal ist, aber eigentlich schade, wenn ich mich an die Nähe erinnerte, die die beiden damals auf der Party ausgestrahlt hatten – wie sie sich angelächelt hatten, in völligem Einklang miteinander.

 
     
     
    J emanden kennenzulernen ist schön. Besonders, wenn Sommeranfang ist, es sich um einen sympathischen Menschen handelt, der urplötzlich da ist, wie ein Neuer in der Klasse, mit dem man sich auf Anhieb gut versteht, den man noch dazu von früher kennt und der in der Nähe wohnt. Und ganz besonders, wenn man selbst auch noch Zeit hat, das heißt weder feste Urlaubspläne noch einen festen Freund. Perfektes Timing sozusagen.
    Vor Freude war ich ganz aufgeregt, aber irgendetwas war mir nicht geheuer.
    Der Anruf meiner Schwester.
    Saki, die von einer verborgenen Kraft getragen zu sein schien.
    Otohiko, der im Ausland mit einer an Takase-Manie leidenden Frau zusammengelebt hatte – wie er sich nur zögernd zur achtundneunzigsten Erzählung äußerte.
    Der Anruf für mich im Seminar, bei dem sich niemand meldete.
    Ich verdächtigte niemanden von ihnen. Aber irgendwie war da noch etwas. Jedenfalls fehlte mir die Zuversicht, daß ich mit Leuten, die ich nach langer Zeit wiedergetroffen hatte, einen friedlichen Sommer verbringen würde. Aber warum? – In Gedanken versuchte ich dem immer wieder auf die Spur zu kommen.
    Kommissarin Kanō ermittelt.
    Was steckte dahinter?
    Ich hatte keine Ahnung. Doch sobald ich darüber nachdachte, schossen mir aus unerfindlichen Gründen Szenen aus der achtundneunzigsten Erzählung durch den Kopf. Es war nur so eine Ahnung, aber ich hatte das Gefühl, daß hier eventuell eine Verbindung bestand.
    Ein Mann, der ein Verhältnis mit der eigenen Tochter hat und zugrunde geht. Das Tosen des Meeres aus weiter Ferne – es ist das Flüstern der Tochter. Matt schimmert der schuppige Unterleib einer Meerjungfrau – es sind die schlanken Fesseln der Tochter im Mondlicht.
    … Saki?
    Ich wußte es nicht. In so einem Fall hilft nur Warten. Darauf, daß etwas geschieht. Und beten, daß man das Beste daraus machen kann, was immer dies auch sein mag.
    Eine Einstellung, die ich nach Shōjis Tod entwickelt hatte.

 
     
     
    S aki und ich hingen bald ständig zusammen, wir waren ja an der gleichen Uni. Die Sommersemesterferien standen kurz bevor, es war Prüfungszeit, und plötzlich hielten sich viel mehr Studenten als sonst auf dem Campus auf.
    An jenem Tag saßen wir wie so oft zusammen in der Mensa.
    »Um diese Zeit kriegt man immer erst das richtige Uni-Feeling, findest du nicht?« sagte Saki und trank ihren Kaffee.
    »Ja, ich bin bloß froh, daß ich selbst keine Prüfungen machen muß.« Ich trank Orangensaft.
    »Magst du den Sommer?«
    »Zum Sterben gern! Ich denke an nichts anderes mehr.«
    »Das muß Liebe sein!«
    »Und du?«
    »Ich mag den Frühling lieber. Aber ich kann dich verstehen. Deine aufgeregte Freude ist so ansteckend, man braucht nur neben dir zu stehen.«
    »Ich kanns kaum erwarten. Ich platze!« lachte ich. Und fragte ohne Übergang: »Was macht übrigens Otohiko noch so?«
    »Wieso?« sagte Saki.
    »Weil ich ihn seitdem gar nicht mehr gesehen hab.«
    »Ach, der hängt die ganze Zeit bei dieser Frau rum.«
    »Die, mit der er auf der

Weitere Kostenlose Bücher