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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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auswegloses Zappeln, das schon fast körperlich zu spüren war. Schatten des Todes. Machtlosigkeit, die einen rücklings überfiel, sobald man den Blick abwandte, Trostlosigkeit, von der man verschluckt wurde, wenn man nur einen Moment unachtsam war.
    »Also, wissenschaftlich fundiert kann ich nichts dazu sagen, aber von der Atmosphäre her glaub ich, daß so was da war. Was immer wir auch getan haben, alles erschien sinnlos zu zweit. Immer hatten wir so ein Gefühl von … nicht Verkommenheit, eher Kraftlosigkeit, die uns alle Energie raubte. Nie war es so, daß wir uns einfach sagten, wir lieben uns und das ist schön, deshalb wird es schon irgendwie weitergehen. Das war es wohl, was wie ein Fluch wirkte.«
    »So wie jetzt, hier in diesem Zimmer?« fragte ich.
    »Ja, als ob man sich nicht rühren könnte. Aber da war noch etwas anderes, wie ein Feld voller Blumen, irgend etwas Schönes. Und deswegen haben wir weitergemacht. Das muß unsere besondere Stärke gewesen sein.«
    »Ja, ich weiß. Das konnte man sehen.«
    »Mensch, ist der Regen laut!«
    »Ja, jetzt hat es richtig angefangen. Außerdem ist mir ein wenig kalt.« Das Prasseln des nächtlichen Regens hatte nach und nach den Raum erfüllt – lustlos-monoton, im Rhythmus der Einsamkeit. Langsam wurden die Fensterscheiben naß. Bläulich-kalt schien die Straßenlaterne herein. Ich bekam das Gefühl, daß es im Zimmer noch einen Ton dunkler geworden war. Hier konnte ich es nicht länger aushalten, es fiel mir zwar schwer, mich zu bewegen, aber wenn ich bliebe, würden auch wir beide kaputtgehen. Unsere Herzen würden sich bis zum Überlaufen vollsaugen mit dieser Stimmung, dieser Einsamkeit. Das wäre nicht gut.
    »Ich fahr mit dem Taxi nach Hause. Gehst du bitte mit und wartest, bis ich eins erwischt hab?« sagte ich.
    »Ja … Ich fühl mich so wahnsinnig kraftlos, wie wenn ich immer und immer wieder von Wellen an den Strand gespült würde. Ganz komisch.«
    »Ja, aber, wie wärs, wenn wir erst mal von hier weggehen? Das ist auf jeden Fall besser«, sagte ich und hätte weinen können. Mir war hundeelend zumute. Eine solche Traurigkeit ergriff von mir Besitz, daß ich beinahe begann, das Leben zu hassen. »Laß uns gehen«, sagte ich noch einmal.
    Wortlos stand Otohiko auf.
     
    Als ich ins Taxi stieg, fragte ich ihn: »Gehst du dahin zurück?«
    Wir waren beide naß geworden, weil wir keinen Schirm hatten. Er antwortete: »Nein, nicht mehr.«
    Ich atmete auf. Ich hätte ihn dort nicht alleine lassen können.
    »Ich geh sie suchen, überall da, wo sie sein könnte. In unserer Stammkneipe oder da, wo sie arbeitet.«
    »Soll ich dir helfen?«
    »Nein, im Moment hat das keinen Sinn. Morgen vielleicht. Ich ruf dich an, wenn ich deine Hilfe brauche«, sagte er und drückte die Taxitür zu. Ich winkte ihm zu. Er winkte zurück. Hinter einer nächtlichen Kurve war er verschwunden, von der Dunkelheit verschluckt, untergegangen im prasselnden Regen.

 
     
     
    W as mit Sui passiert war, wußte ich nicht. Weder Otohiko noch Saki hatten sich gemeldet. Ich träumte oft, Sui sei tot. Jedesmal fuhr ich dann aus dem Schlaf hoch, starr vor Schreck und schweißgebadet. Danach konnte ich nicht wieder einschlafen. Ich nahm mir die Zeitung vor, sobald sie gebracht wurde, und las sie von vorne bis hinten. Ängstlich sah ich mir alle Nachrichten im Fernsehen an.
    Aber – nichts, kein Hinweis auf Sui.
    Und nach drei, vier Tagen kam mir Sui erschreckend weit weg vor. Ich war überrascht von meiner eigenen Treulosigkeit, aber ich entwickelte eine gewisse Distanz – zu ihr, zu den beiden anderen, auch zu den vielen Gefühlen, die ich mit ihnen zusammen empfunden hatte – als ob alles gar nicht wirklich passiert wäre.
    War ich von dem Bann befreit worden?
    Alles erschien mir wie ein Traum. Kein böser Traum, nein. Eher einer aus Kindertagen, als man sich auf den nächsten Tag freute, und in diesem Traum war mir, als hätte ich alles getan, was überhaupt in meinen Kräften stand. Weiter gab es nichts zu tun. Deshalb versuchte ich, nicht mehr daran zu denken. Das würde nur zu Nervosität führen, und die haßte ich.
    Am fünften Tag bekam ich einen Anruf von Saki. Ich schlief noch, aber wie es zu der Zeit meine Gewohnheit geworden war, nahm ich den Hörer mit unglaublicher Geschwindigkeit ab, reflexartig sozusagen.
    »Hallo?«
    »Ich bins. Saki«, sagte sie.
    »Oh, guten Morgen.«
    »Mensch, es ist schon nach Mittag! Hör zu, ich bin gerade am Flughafen«, sagte sie, und

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