Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
wenigstens oana meine Kusine vor dene …», jetzt wird seine Stimme so laut, dass die Tiroler Mannschaft ihn hören muss , «vor dene Zipfeln da beschützen ko.»
Die Angesprochenen werfen ihm böse Blicke zu. Mittlerweile haben auch sie ihre Joggingjacken mit der Ranklerkluft vertauscht. Auf ihren Rücken prangen stilisierte Snowboardfahrer. Darunter steht «Ti-Boards. Always on Top». «Die san so jämmerlich!», murmelt Urs.
«Was habt ihr denn gegen die?», frage ich.
«Des is a oide Gschicht», erzählt Knoll. «Voa zehn Jahr hod a Tiroler Rankler den Büagamoasta vo Steiring gschmissen. Grad da vor seina Haustür. Des ham die Leid dene ned verziehn.» Urs ballt die Fäuste und nickt grimmig.
In diesem Moment tritt ein kleiner Mann mit Mikrophon auf die Kampffläche. Er begrüßt die Sportler aus dem schönen Alpenraum, alle Zuschauer und Funktionäre. Danach erklärt er das Rankeln für eröffnet.
Von einer der Bänke am Rand des Sägemehlkreises erhebt sich eine Kapitänstype, gibt einer blonden Frau und einem blonden Knirps einen Kuss und betritt dann die Kampffläche. Auch der Tiroler Pitbullmensch schreitet über den Rand des Kreises, bückt sich, greift etwas Sägemehl und verreibt es zwischen den Handflächen. Der blonde Hüne ist einen Kopf größer als er. Beide kommen in der Kreismitte zusammen und geben sich kurz die Hand. Der Schiedsrichter pfeift.
Die Männer springen zurück, belauern sich in gebückter Stellung: rechte Hand hoch, linke Hand runter, immer abwechselnd. Der Kapitän versucht, seinen Gegner mal am Gürtel, mal in den Kniekehlen zu packen, doch der Tiroler schlägt bloß grinsend dessen Hände weg. Plötzlich setzt er zum Gegenangriff an, packt den Blonden und schleudert ihn über die Hüfte. Der Mann segelt durch die Luft, donnert auf den Rücken und bleibt reglos liegen. Er atmet nicht. Erst nach einer Schrecksekunde beginnt sein Brustkorb wieder, sich in Stößen zu heben und zu senken. Die Zuschauer klatschen. «Wahrscheinlich a Rippn prellt», kommentiert Urs neben mir.
Der Schiedsrichter pfeift ab. Nach einer kurzen Verschnaufpause rappelt sich der Besiegte auf, gratuliert seinem Gegner und schleicht gebeugten Hauptes zurück zu Frau und Kind, das gleich auf Papas Schoß klettert und ihn in den Arm nimmt. Der siegreiche Pitbull reißt die Arme hoch und springt einen Salto. Dann schielt er zu Roni rüber, als wäre sie ein Reh, das er demnächst reißen wird. Er zwinkert ihr sogar zu. Doch Roni Reh starrt gerade sehr interessiert in die Luft.
«Sieghst den?», fragt Urs und deutet auf den Pitbullmenschen. «Des is da Hogmoa.»
«Der Hogmoa?»
«Das heißt, ea is da stärkste Moa weit und breit.»
«Der Hogmoa hat gerade deine Cousine angezwinkert», lasse ich Urs wissen.
«Nacha soitst vielleicht amoi mit eahm redn», schlägt Urs vor, schnippt seine Zigarette auf den Boden und zerquetscht sie mit dem nackten Fuß. «Wenn i mit eahm fertig bin.»
«Der Metzgerhansi, Weissbach, gegen den Huberdaniel aus Steiring», ruft die Jury. Ein bärtiger Bauer und ein drahtiger Knecht messen sich in wilder Balgerei. Nach wenigen Sekunden liegt Metzgerhansi unter Huberdaniel. «Hoch da, Hansi», brüllt ein zwirbelbärtiger Trainer vom Rand des Kreises. Der Unterlegene schlägt mit der Faust auf den Rasen und stemmt sich hoch. Er wirft Huberdaniel ab, kommt wieder auf die Beine und fieselt sich das Gras aus dem Mund. «Sieghst», sagt Knoll. «Aa wennst di amoi niedahaut, immer aufstehen – im Rankeln wia im Leben!»
Längst zieren grünbraune Grasflecken die weißen Hosen der Kämpfer. Als Nächstes soll Urs gegen einen muskulösen Glatzkopf antreten. Die beiden kommen beim Schiedsrichter zusammen, schütteln sich die Hände, plaudern kurz wie alte Bekannte. Dann der Startpfiff. Sofort suchen sie am anderen den richtigen Griff, jedoch eher neckend als fordernd. Der Glatzkopf zieht Urs am Hemd, es rutscht hoch. Urs lacht. Zwei Minuten lang befummeln sich die beiden, bis Urs seinen Gegner hochstemmt und beinahe zärtlich auf den Rasen legt. Nach dem Abpfiff stellt er ihn wieder auf die Beine, die beiden umarmen sich kumpelhaft. «Des is Völkerverständigung», murmelt Knoll neben mir. «Wenn olle rankeln dadn, gabs ko Kriag ned mehr.»
Der nächste Gegner des Tiroler Hogmoas ist ein 150-Kilo-Brocken, der ebenfalls ein Sponsor-Logo trägt: «Best Burgers Bolting». Viermal attackiert der Modellathlet den Koloss vergeblich, zerrt ihn durch den Kreis und versucht ihn zu werfen.
Weitere Kostenlose Bücher