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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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dreinzuschauen. Dann bat er mich, aufzustehen. Ich tat ihm den Gefallen, posierte, öffnete den Lodenmantel ein Stück und schob Knolls Hut tiefer ins Gesicht. Roni stand hinter dem Fotografen und schaute professionell ernst. Als sich unsere Blicke begegneten, konnte ich mich nicht länger zusammenreißen und lachte laut los.
    «Wonderful», giggelte der Fotograf. «You’re so real.»
    Schließlich bedankte er sich bei Roni mit insgesamt drei Küsschen (Links-rechts-links-Kombination) und überreichte ihr seine Visitenkarte. Sie warf einen Blick darauf und steckte sie ein. Die beiden sprachen noch kurz, und er schrieb sich irgendetwas auf. Ich setzte mich wieder zu Knoll und den anderen, von wo aus ich dem Verrückten zum Abschied mit meiner Halben zuprostete.
    Huberfranzl schüttelte mir die Hand. «Jetzat host grad dein ersten Preiß dableckt», gratulierte er mir. Ich schaute hilfesuchend zu Knoll. Der konnte offenbar meine Gedanken lesen. «Ned abgleckt», dolmetschte er. «Verarscht, meint da Franzl!»
    Nach diesem kurzen Höhepunkt verlor die Veranstaltung leider vollends ihren Reiz. Die Obrigkeit schaffte es zwar tatsächlich, eine gewisse existenzielle Schwere in ihre Musik zu legen, aber bei den anderen Kapellen war der «bayerische Bluhs» kaum spürbar. Als ein Trompeter ankündigte, die nächste Weise wolle man «unsam hochvaehrten großen Landesvater, dem Straußfranzjosef,» widmen, gab ich Knoll den Hut und Huberfranzl den Mantel zurück. Hatte Knoll nicht selbst gesagt, man solle stets rechtzeitig abhauen? Außerdem sollte die letzte Seilbahn um fünf Uhr ins Tal fahren. Roni und ich verabschiedeten uns. Regina wollte mit der Obrigkeit nachkommen. «Mia tringga gemütlich aus», erklärte Knoll. «Aber wie wollt ihr denn hier wieder runterkommen?», fragte ich. «Laufen?»
    «Ah geh», Knoll winkte ab. «Nunter kimmst immer.»
     
    Knoll hat recht behalten. In der Gondel scheppert jetzt eine näselnde Männerstimme nur wenige Zentimeter neben meinem Ohr aus einem staubigen Lautsprecher: «Grüß Gott, meine Damen und Herren. Sie miassen entschuidigen, i hob grad ghead, dass no a boa Leit oben san und i no a bisserl oabeiten muass. Da hob i schnell a kleine Pausn eiglegt.»
    Erleichtertes Gemurmel in der Gondel. Niemand regt sich auf oder schimpft auf den Liftwärter. «Siehste», sagt Roni und zwinkert mir zu.
    Unten angekommen, setze ich mich ans Steuer des Wagens. Nachdem wir eine Weile gefahren sind, erzählt mir Roni, dass der Fotograf für ein bekanntes Modemagazin arbeite und uns eine Ausgabe zuschicken wolle. Kurz darauf verfahren wir uns. Um halb elf stehe ich endlich vor meiner Wohnungstür. Daran klebt ein kleiner gelber Zettel. Darauf steht: «Erster. Knoll.»

TAPFER SAN MIA SCHO, ABA BLED SAN MIA NED
    D as Weisenblasen hatte einen Vorteil: Mein Weltbild, das dank Knolls beharrlicher Propaganda erste Risse bekommen hatte, ist wieder im Lot. Anscheinend liegt Bayern doch nicht so weit vom Klischee des folkloristischen Deppenstaates entfernt, wie man mir hat weismachen wollen. Vor einer Woche bin ich endlich mal wieder nach Berlin gefahren. Schon beim Anblick der ersten Häuser habe ich gespürt, wie diese Stadt atmet und pulsiert: Überall neue Kneipen und Cafés, Häuser wurden abgerissen oder gestrichen, Straßen gesperrt. Obwohl ich mitten in der Nacht angekommen bin, fand ich die Stadt hell erleuchtet. Hunderte junger Leute auf den Straßen, an der einen Ecke ein Trommler, an der nächsten übte der Nachwuchs rappen. Da ich direkt von der Arbeit gekommen war, trug ich noch immer Hemd und Jackett. Einige Friedrichshainer starrten mich feindselig an, wie einen Anlageberater, der auf einem Gruftiefestival Lebensversicherungen verkaufen will.
    Doch kaum hatte ich mein Jackett bei Jochen über einen Sessel geworfen und die erste Dose Bier geöffnet, fühlte ich mich wie neugeboren. Endlich wieder um die Häuser ziehen, Zwei-Euro-Döner essen und bis zum Morgengrauen in meiner ehemaligen Stammkneipe hocken! Die Gäste begrüßten mich dann auch mit einem Kopfnicken, als wäre ich nie weg gewesen. Viele erstaunlich hübsche und erstaunlich junge Gesichter waren dazugekommen.
    «Es ist ein Phänomen», kommentierte Jochen, als wir Samstagnacht gegen drei an der Theke lehnten. «Immer weniger Babys kommen auf die Welt – und hier laufen immer mehr Kinder herum.»
    «Wahrscheinlich sind auch wir älter geworden.»
    «Nicht wir – du . Hast ganz schön graue Haare bekommen, mein

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