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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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hinausfahren, umso weniger junge Menschen sehe ich. Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, dass Niederbayern damals, in den Neunzigern, wegen der Ansiedlung von BMW und dem Flughafen in Erding eine Zuwandererwelle erlebt hat. Heute sind diese Zuwanderer 40 bis 50 Jahre alt, eine ehemals junge Generation, die langsam, aber sicher in Niederbayern vergreist. Das kann man hier ganz gut sehen: An der Steiringer Hauptstraße stehen ausschließlich Thermalbäder, Kurhäuser, Kliniken und von der Bürde des Alters geknickte Senioren herum. Roni, die kurz eingenickt war, wacht auf, hebt den Kopf von meiner Schulter und reibt sich die Augen. «An dir schläft man gut», flüstert sie.
    Ein Schild mit der handgemalten Aufschrift «Ranggeln da lang bittschee» weist uns den Weg zum Kurpark. Die Sonne strahlt, es riecht nach frischgemähtem Rasen. Von der Terrasse einer Seniorenresidenz aus winken uns ein paar alte Herrschaften zu. Erst als wir zurückwinken, hören sie auf.
    «Rankeln die im Altersheim?», frage ich Knoll im Scherz. Der schüttelt bloß den Kopf und bedeutet uns, ihm zu folgen. Schon aus etwa zweihundert Metern Entfernung sehe ich eine improvisierte Grilltheke. Als ich näher komme, kann ich den Text auf dem Pappschild am Grill lesen: «Rankelburger 3,50 € ».
    An einem kleinen Tischchen zahlen wir zwei Euro Eintritt und bekommen dafür weiß-blaue Pappanstecker. «Schmerzensgeld ned inklusive», scherzt der Kassierer. «Aba auf boarischen Boden foid ma weich.»
    Auf einer von Fußwegen umzingelten Kurparkwiese markieren Bierbänke eine Arena von etwa dreißig Metern Durchmesser. Die eigentliche Kampffläche besteht aus einem mit Sägemehl bestreuten Kreis, der gefährlich nah an der Zuschauertribüne liegt. Allmählich füllen sich die Bänke mit älteren Bayern, Mittvierzigern und jungen, stämmigen Fußballkapitänstypen: wettergegerbte Gesichter, strohfarbenes Haar, Lachfalten und blitzend weiße Zähne. Einige von ihnen haben Frau und Kinder mitgebracht.
    Hinter einem Biertisch mit Pokalen steht eine Art Schaustellerwagen für die Rankel-Jury. Roni und Regina haben hinter dem Park ein paar Holzbuden entdeckt, in denen Anwohner Salben und Cremes aus Wiesenkräutern verkaufen. Knoll und ich setzen uns mit dem Nacken zur Sonne in die erste Reihe. Zeit für eine fachkundige Einführung:
    «Rankeln is wia a nette Rauferei. Ziel is, den andern auf die Schuitern zu schmeißn», erklärt Knoll. Die Kämpfer dürfen nicht schlagen oder treten, lerne ich. Auch Schmerzgriffe, Haltegriffe und Armhebel seien verboten. «Mia san ja ned in Kina.»
    Die ersten Kämpfer ziehen sich zwischen den Bierbänken um. Ihre Ranklerkluft erinnert ein wenig an einen Judoanzug: weiße Hose, kurzärmliges Hemd, beides aus grobem, festem Stoff. «Des is die Pfoad», erklärt Knoll. «Früher is die aus am guaden Leinen gwesn, heit is des bloß no Sintetik.» Der alte Kulturpessimist!
    Immer mehr stämmige Kerle rotten sich zusammen, ziehen ihre T-Shirts aus und zeigen Muskeln. Roni und Regina sind gerade rechtzeitig von ihrem Wiesenkräuterbummel zurückgekommen und schauen den Kämpfern interessiert beim Umziehen zu. Zu interessiert, für meinen Geschmack.
    Neben uns hat sich eine Sportlertruppe mit identischen Trainingsanzügen niedergelassen. Auf den Rückseiten ihrer Oberteile steht «Rankelkader Tirol». Es sind sehnige, gutfrisierte Typen, die eher nach Profiturnen als nach alpinen Kampfsportlern aussehen. Einer von ihnen hat die Ausstrahlung eines Pitbulls. Die Gruppe schart sich um einen weißhaarigen Managertypen, der ein Klemmbrett in der Hand hält. «Die Deppen aus Tirol», stellt Knoll vor.
    Vom anderen Ende der Manege schreitet ein Riese im gelb-grünen Brasilien-Trikot entschlossenen Schrittes auf uns zu: Er ist gut zwei Meter groß und fast ebenso breit – eine Kreuzung aus DJ Ötzi und Hulk Hogan. In der hohlen Hand versteckt er eine Zigarette. Direkt vor Roni bleibt er stehen und entblößt eine gelbe Zahnreihe. «Servus, Großstadtkusine.»
    «Servus, Urs. Rauchst immer noch?» Sie umarmt ihn freudig. Mit Handschlag begrüßt der Riese Regina und Knoll. Der stellt uns vor: «Urs – Waschtl, Waschtl – Urs.»
    «Na Waschtl, mogst aa rankeln?», fragt Urs und knufft mich mit der Faust gegen die Schulter. Aua. Der ist wohl als Kind in den Zaubertrank gefallen.
    «Nee, lieber nicht», kontere ich. «Früher habe ich nämlich Karate gemacht, ich möchte niemanden versehentlich verletzen.»
    «Da bin i aba froh, dass

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