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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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unterschied. Diese Art der Diskriminierung ist heute nicht mehr möglich, hauptsächlich deshalb, weil sich die Rassen und Religionen und Gebräuche auf der Erde so miteinander verknüpft und vermischt haben, daß ein Computer notwendig wäre, um zu ermitteln, wem gegenüber man aufgrund seiner Herkunft Vorurteile entwickeln könnte. Jetzt haben wir Androiden. Es ist haargenau dasselbe. Ihr Androiden lebt länger als wir, ihr habt attraktivere Körper, ihr seid uns in vielen Dingen überlegen, aber wir haben euch erschaffen, und wenn wir auch neidisch auf euch sind, so finden wir doch ein wenig Spaß daran, uns Androidenwitze zu erzählen, Androiden von unseren Gemeinschaften auszuschließen und solche Dinge. Eine Voraussetzung für diese Sache mit der Diskriminierung besteht darin, daß das Opfer zahlenmäßig schwächer als man selbst sein muß und daß es sich um jemanden handelt, den man insgeheim bewundert oder fürchtet. So glaubte man etwa, Juden seien tüchtiger als normale Leute, oder Neger seien anmutiger und agiler als normale Leute, oder Chinesen könnten härter arbeiten als normale Leute. Und so wurden Juden und Neger und Chinesen zugleich beneidet und verachtet. Bis sich die Gene soweit vermischt hatten, daß jeder einen Teil jedes anderen besaß und diese Denkweise somit überholt war.“
    „Vielleicht“, sagte Kelly mit einem angedeuteten Lächeln, „besteht die Lösung des Problems mit der Androiden-Diskriminierung darin, schwächliche und häßliche Androiden zu erschaffen!“
    „Sie wären nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt, Kelly. Die einzig wirkliche Lösung wäre, den Androiden die Fähigkeit zur Reproduktion zu geben, so daß sie sich überall mit den anderen verheiraten könnten. Aber man sagt, die Entwicklung des fruchtbaren Androiden läge noch fünfhundert Jahre in der Zukunft.“
    „Zweihundert“, stellte Kelly gelassen richtig. „Oder weniger. Androidische Biologen befassen sich mit diesem Problem. Jetzt, da wir gleichberechtigt sind, jetzt, da wir nicht länger die Sklaven und Lasttiere sind, als die ihr uns erschaffen habt, haben wir damit begonnen, unsere eigenen Bedürfnisse zu untersuchen.“
    Ich fand diese Worte ziemlich verunsichernd.
    „Nun, vielleicht wachsen wir am Ende über unsere törichten Einstellungen den Androiden gegenüber hinaus“, sagte ich schwach.
    Kelly lachte. „Und wann wird das sein? Du hast die Wahrheit gesagt: Voreingenommenheit ist Teil eures Wesens. Ihr Natürlichen seid so albern! Ihr durchstöbert das ganze Universum auf der Suche nach Leuten, die ihr verachten könnt. Ihr spottet über die Schwerfälligkeit der Calamorianer, ihr macht Witze über die Größe und den Geruch der Dinamonianer, ihr lacht über die Gebräuche der Shilamakka und Thhhianer und all der anderen extraterrestrischen Rassen. Ihr bewundert ihre ungewöhnlichen Talente und Fähigkeiten, aber insgeheim seht ihr von oben auf sie herab, weil sie zu viele Augen oder Köpfe oder Arme besitzen. Habe ich recht?“
    Ich hatte den Eindruck, als glitte mir die Kontrolle über den Verlauf des Gesprächs aus den Händen. Ich hatte einfach nur wissen wollen, wie es ist, ein Android zu sein und einen so schwierigen Platz in der modernen Gesellschaft einzunehmen – doch statt dessen wurde ich in die Defensive gedrängt und versuchte, die blöde Voreingenommenheit zu rechtfertigen, die der Homo sapiens so schätzt.
    Es war das Auftauchen Jans, das mir aus der Klemme half. Sie glitt zu uns in die Kabine, und ihr Gesicht zeigte den fahlen, geisterhaften Ausdruck, der oftmals zu beobachten ist bei den Leuten, die nach einigen Stunden Ruhezeit aus der Nichtskammer herauskommen: Ihre Augen blickten verträumt, und ihre Gesichtsmuskeln waren so entspannt, daß sie wie ein Schlafwandler aussah. Das kommt davon, wenn man mit zugestopften Ohren und abgedeckten Augen in einem warmen Chemikalienbad liegt. Jan schwebte wie die kopflosen Gattinnen von Heinrich VIII. herein, sah mich an, sah Kelly an, lächelte eigentümlich, sagte mit einer silberhellen, trillernden Stimme: „Entschuldigung“ und schwebte wieder hinaus. Sonderbar.
    Irgendwie machte das der Diskussion über Rassendiskriminierung ein Ende. Wir versuchten nicht, sie fortzusetzen. Statt dessen begann Kelly über Inschriftsknoten zu sprechen, und nach einiger Zeit sagte ich gute Nacht und ging schlafen. Seitdem haben wir einige Abende zusammen verbracht und uns bis spät nachts unterhalten. Ich glaube, Kelly benutzt mich in

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