Nach all den Jahrmilliarden
sensorischen Reize helfen würden, sich zu entspannen. Die anderen gingen ebenfalls ihren eigenen Beschäftigungen nach: Dr. Schein und Dr. Horkkk schrieben Berichte, Pilazinool und Mirrik fochten eine erbitterte Schlacht auf dem Schachbrett, 408b hatte sich mittels Meditation in höhere Sphären begeben und so weiter. Ich wanderte im Schiff umher und fühlte mich allein gelassen und einsam, und als ich in der Bibliothekskabine war, kam Kelly zu mir herein und fragte: „Kann ich mich eine Weile zu dir setzen, Tom?“
„Ich würde es sehr zu schätzen wissen, Kelly“, sagte ich würdevoll, sprang auf, um ihr einen Sessel heranzuziehen und lud sie mit einer ritterlichen Geste ein, Platz zu nehmen – die Überkompensation des schon erwähnten Schuldgefühls.
Wir setzten uns und sahen uns über den Tisch hinweg an, der aus einem einzelnen, glitzernden Kristall bestand. Ich fragte sie, ob sie gern etwas zu trinken hätte, und sie lehnte – natürlich – ab, sagte aber, sie hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn ich einen Drink nähme. Ich gab zurück, mir stände ebenfalls nicht der Sinn danach. Diese vornehmen und affektierten Manöver dauerten einige Minuten.
Dann sagte sie mit gesenkter Stimme: „Dieser Mann verfolgt mich schon den ganzen Abend. Wie kann ich ihn loswerden?“
Ich wandte mich zur Kabinentür um und warf einen flüchtigen Blick auf Leroy Chang, der auf dem Korridor herumschlich. Leroy ist der einzige richtige Schleicher, den ich jemals gesehen habe. Er starrte mich voller Wut an, als wolle er mir sagen, wie ekelhaft es von mir sei, mich erneut zwischen ihn und die Frau zu stellen, der er nachjagte. Dann pirschte er sich davon, wobei er bestimmt etwas vor sich hinbrummte und sich einen Schnurrbart herbeisehnte, an dem er hätte zupfen können.
„Der arme Teufel“, sagte ich. „Ich vermute, er hat ein sexuelles Problem.“
Kelly ließ ein strahlendes Lächeln aufblitzen. „Wann wird er begreifen, daß ich nicht daran interessiert bin, ihm bei der Lösung behilflich zu sein?“
Ich hatte plötzlich Mitleid mit dem umherschleichenden Leroy. Die Androidin, die mir gegenüber saß, sah außerordentlich begehrenswert aus. Kellys funkelndes, kastanienbraunes Haar fiel fast bis zu den Schultern herab; es glühte und glänzte in einem Schimmer, der nur in den Schöpfungsbottichen der Androiden entstehen kann. Ihre dunkelgrünen Augen waren wie kostbare Juwelen. Ihre makellose Haut war nicht die Haut von Normalsterblichen. Und in ihrer sorglosen Art trug sie nur einen enganliegenden Aufsprüh-Umhang, was nicht viel mehr war als ein bißchen Flaum hier oben und ein bißchen mehr weiter unten. Sie war eine verführerische Erscheinung – und die Laboratoriumstechniker, die sie aus Aminosäuren und Elektrizität erschaffen hatten, hatten ihr einen grausamen Streich gespielt, denn sie hatten Kelly nicht das geringste Verlangen nach Sex mitgegeben. Wahrscheinlich hätte sie Leroy Chang auf gewisse Weise zufriedenstellen können – wenn sie gewollt hätte. Aber sie wollte nicht, und sie wollte nicht einmal wollen, und sie konnte auch Leroys Motive nicht verstehen. Für sie sind die grundlegenden Triebe der Menschen genauso fremdartig wie für uns das Bestreben der Shilamakka, sich selbst in Maschinen zu verwandeln.
Aber sie war wunderhübsch: ein strahlendes Bild sinnlicher, neunzehnjähriger Weiblichkeit, eine Art Traumgeschöpf. Alle Androiden sind attraktiv, in einer standardisierten, stereotypen Art und Weise, aber wer auch immer das Programm für Kelly entwickelt hat, er muß ein Bottichpoet gewesen sein. Als ich mit ihr zusammensaß und mich in einer Art kultivierter Plauderei übte, kam ich mir fast so vor wie der Held einer dieser Tridem-Filme: für alle Zeiten verstrickt in einem Netz aus romantischer Konversation mit geheimnisvollen Schönheiten, an Bord eines Raumschiffes, das weit entfernte Welten ansteuert.
Allerdings war niemand so aufmerksam, mir ein Drehbuch in die Hand zu drücken. Im Verlaufe des Gesprächs mußte ich mir die Dialoge selbst ausdenken. Kelly schien jetzt, nachdem ich sie vor Leroy dem Sittenstrolch errettet hatte, geneigt zu sein, in der Bibliothek zu verweilen und die ganze Nacht hindurch mit mir zu reden. Nach den ersten zehn Minuten aber mußte ich feststellen, daß ich meinen Vorrat an seichten Konversationsfloskeln erschöpft hatte. Es ist nicht einfach, Gesprächsthemen zu finden, wenn man sich an Bord eines Ultraraumkreuzers befindet, eingeschlossen in einem
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