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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ge­bracht: Er be­steht nur noch aus Kopf und Tor­so und ei­nem Arm, um be­stimm­te Be­we­gun­gen aus­füh­ren zu kön­nen, wäh­rend der Rest sei­nes Kör­pers in ei­nem durch­ein­an­der­ge­wür­fel­ten Hau­fen ne­ben der Bank liegt. Ab und zu schraubt er eins sei­ner Bei­ne wie­der an oder nimmt ei­ne An­ten­ne ab oder spielt auf an­de­re Wei­se in sei­ner ner­vös ma­chen­den Art an sich her­um. Üb­ri­gens ver­liert er die­se Schach­par­tie.
    Dr. Schein be­trach­tet Ras­ter­bil­der frü­he­rer Fun­de von Er­ha­be­nen-Ar­te­fak­ten und be­spricht mit Mir­rik die tech­ni­schen Ein­zel­hei­ten der mor­gi­gen Aus­gra­bung. Mir­rik hat ei­ne Men­ge da­zu zu sa­gen. Saul Shah­moon hat eins sei­ner Brief­mar­kenal­ben her­vor­ge­holt und zeigt 408b und Jan sei­ne wert­volls­ten Ex­em­pla­re. Letz­te­re macht kei­nen be­son­ders in­ter­es­sier­ten Ein­druck. Und ich sit­ze ab­seits in ei­ner Ecke und spre­che in einen Nach­rich­ten­wür­fel.
    Der Abend scheint end­los zu sein.
    Hast du dich je­mals ähn­lich ge­fühlt, Lo­rie? Selbst nach all den Jah­ren weiß ich ei­gent­lich nicht, wie es in dir aus­sieht. Ich mei­ne, dort zu lie­gen, sich kaum be­we­gen zu kön­nen, die Nah­rung durch Schläu­che zu be­kom­men und nicht ein­mal die Mög­lich­keit zu ha­ben, zum Fens­ter zu ge­hen und zu se­hen, wie das Wet­ter drau­ßen ist … Ich ha­be dich trotz­dem nie­mals ge­lang­weilt oder un­ge­dul­dig oder so­gar de­pri­miert ge­se­hen. Wenn du ei­ne Art men­ta­ler Blu­men­kohl wärst, könn­te ich das ver­ste­hen. Aber dein Ver­stand ist ak­tiv und wach­sam und, was die meis­ten Din­ge an­geht, wahr­schein­lich bes­ser als mei­ner. Hier bin ich al­so – hier sind wir al­le –, zäh­le die Mi­nu­ten bis zum Mor­gen, und das War­ten macht mich ganz krank. Und dort bist du, und du hast nichts, wor­auf du dich freu­en kannst, nur auf einen wei­te­ren Tag der glei­chen, gleich­mä­ßi­gen Hei­ter­keit.
    Ist die Te­le­pa­thie der Grund? Ich ver­mu­te es. Mit dei­nem Ver­stand kannst du das gan­ze Uni­ver­sum durch­strei­fen. Du kannst mit Freun­den auf tau­send ver­schie­de­nen Pla­ne­ten spre­chen, durch ih­re Au­gen die selt­sams­ten Land­schaf­ten be­trach­ten und al­les über al­les her­aus­fin­den, oh­ne dein Bett über­haupt ver­las­sen zu müs­sen. Über län­ge­re Zeit hin­weg kannst du dich gar nicht ge­lang­weilt oder ein­sam füh­len. Du brauchst dich nur auf ir­gend­ei­nen an­de­ren TP ein­zu­jus­tie­ren, und schon hast du Ge­sell­schaft und Un­ter­hal­tung.
    Du hast mir im­mer leid ge­tan, Lo­rie. Ich bin so ge­sund und ak­tiv, kann über­all hin­ge­hen und so­viel un­ter­neh­men, und du bist an dein Kran­ken­bett ge­fes­selt … und doch sind wir Zwil­lin­ge, die so­viel ge­mein­sam ha­ben soll­ten. Das ist die Iro­nie des Schick­sals. Heu­te abend aber fra­ge ich mich, ob ich dich be­dau­ern oder be­nei­den soll. Ich kann ge­hen. Du kannst mit Hil­fe dei­ner te­le­pa­thi­schen Be­ga­bung von Stern zu Stern glei­ten, zu gren­zen­lo­sen Wei­ten. Wer von uns ist wirk­lich der Krüp­pel?
    Mü­ßi­ge Ge­dan­ken an ei­nem lan­gen Abend, wei­ter nichts.
    Jan hat es satt, Sauls Brief­mar­ken zu be­trach­ten. Ich ha­be ge­hört, wie sie ihm vor­schlug, einen Spa­zier­gang zu ma­chen, doch er lehn­te ab und mein­te, er ha­be noch mit be­stimm­ten Ka­ta­lo­gi­sie­rungs­ar­bei­ten zu tun. Dar­auf­hin kam Jan her­über und frag­te statt des­sen mich. Zwei­te Wahl, wie üb­lich.
    Wir ge­hen jetzt hin­aus und schlen­dern ein biß­chen um­her, es sei denn, es reg­net noch im­mer. Sie ist ein net­ter Kerl. Ih­re Fi­xie­rung auf Saul ist mir ein Rät­sel – er ist zwei­mal so alt wie sie und ganz of­fen­sicht­lich pas­sio­nier­ter Jung­ge­sel­le. Nach der Art und Wei­se zu ur­tei­len, wie er sich hin­ter sei­nen Brief­mar­kenal­ben ver­steckt, muß ihm in frü­he­ren Jah­ren ei­ne Frau einen ge­hö­ri­gen Schre­cken ein­ge­jagt ha­ben. Aber viel­leicht fin­det Jan be­son­de­ren Ge­fal­len dar­an, äl­te­ren und schüch­ter­nen Män­nern nach­zu­stel­len. Ich glau­be, wir sind bei­de auf un­se­re ei­ge­ne Art und Wei­se ver­rückt. Aber wie dem auch

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