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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gan­zen Vor­fall ir­gend­wie den Schmerz.
    Spä­ter fand ich her­aus, was Ar­chäo­lo­gen sind. Und be­gann da­mit, Mu­se­en zu be­su­chen, um mir die Din­ge an­zu­se­hen, die sie aus­ge­gra­ben hat­ten – ein­schließ­lich der vie­len Spiel­zeu­ge, die vor fünf- oder zehn- oder fünf­zig­tau­send Jah­ren von an­de­ren klei­nen Jun­gen ver­lo­ren wor­den wa­ren. Und es traf mich wie ein Schlag: Wie trau­rig ist es doch, daß die­se Din­ge ver­lo­ren­ge­gan­gen sind und nie­man­den mehr ha­ben, der sie mag und sich um sie küm­mert. Und wie schön ist es, daß sich je­mand die Mü­he macht, sie nach all den Jah­ren wie­der­zu­fin­den. Spä­ter dach­te ich: Wie trau­rig ist es doch, daß Zi­vi­li­sa­tio­nen ver­lo­ren­ge­gan­gen sind, gan­ze Bro­cken der Ver­gan­gen­heit, Kö­ni­ge und Dich­ter und Ma­ler, Ge­bräu­che und Re­li­gio­nen und Skulp­tu­ren und Kü­chen­ge­schirr und Werk­zeu­ge, und wie schön ist es, daß sich je­mand die Mü­he macht, dies nach all den Jah­ren wie­der­zu­fin­den. Dann faß­te ich den Ent­schluß, zu ei­nem die­ser Fin­der zu wer­den. Was un­se­ren Va­ter na­tür­lich er­schreck­te, da er be­reits ent­schie­den hat­te, daß ich zu ei­nem Im­mo­bi­li­en-Ma­gna­ten wer­den soll­te, ge­nau wie er. „Ar­chäo­lo­gie? Was kann die Ar­chäo­lo­gie je­man­dem wie dir schon be­deu­ten? Ich ha­be ein Kö­nig­reich, das auf dich war­tet, Tom!“ Ich ant­wor­te­te, ich sei mehr an Kö­nig­rei­chen in­ter­es­siert, die nicht mehr exis­tier­ten. Ich konn­te ihm ei­gent­lich nie rich­tig klar­ma­chen, daß der ur­säch­li­che An­laß zu all die­sem ein Spiel­zeug­tier von Ep­si­lon Eri­da­ni ge­we­sen ist.
    Als ich mit der Schil­de­rung zu En­de war, sag­te Jan: „Als du neu­lich die Ku­gel aus­ge­gra­ben hast – die­ses wun­der­vol­le Spiel­zeug –, war es so ähn­lich, als hät­test du dei­ne ver­lo­re­ne Sta­tu­et­te wie­der­ge­fun­den?“
    „Ja. Ge­nau so. Ich hab’ ei­ne gan­ze Welt neu ent­deckt, Jan. Dar­um geht es mir hier­bei vor al­lem.“
    „An­ge­nom­men, dein Va­ter hät­te die Bau­ma­schi­nen an­ge­hal­ten und sei­ne Män­ner be­or­dert, dein Spiel­zeug aus dem Be­ton zu gra­ben? Glaubst du, du wärst dann heu­te auf Hig­by V?“
    „Ich wä­re sehr wahr­schein­lich der Ju­ni­or-Ma­gnat ei­nes Im­mo­bi­li­en-Im­pe­ri­ums“, sag­te ich, und ich glau­be, das stimmt.
    Dann frag­te ich Jan, warum sie Ar­chäo­lo­gin ge­wor­den sei. Ih­re Ant­wort war ein we­nig ent­täu­schend. Sie bag­ger­te kei­ne fins­te­ren Epi­so­den ih­rer Kind­heit aus. „Weil es in­ter­essant ist“, sag­te sie. „Das ist al­les. Die Vor­stel­lung her­aus­zu­fin­den, wie die Ver­gan­gen­heit war, er­scheint mir sehr in­ter­essant.“
    Nun, das ist na­tür­lich über­haupt kei­ne Ant­wort. Wir wis­sen ja, daß Ar­chäo­lo­gen die Ar­chäo­lo­gie in­ter­essant fin­den. Das wirk­li­che Pro­blem be­steht dar­in, warum. Ich glau­be, die Ant­wor­tet lau­tet: Weil wir al­le nach ei­ner Art von ver­lo­re­nem Spiel­zeug su­chen. Wir kämp­fen ge­gen je­ne Kraft des Uni­ver­sums an, die al­les dem Cha­os preis­ge­ben will. Ich mei­ne, wir be­fin­den uns mit der Zeit im Kriegs­zu­stand. Wir sind Fein­de der Entro­pie. Wir ver­su­chen, je­ne Din­ge zu­rück­zu­ho­len, die uns von den Jah­ren ge­nom­men wur­den: die Spiel­zeu­ge der Kind­heit, ver­lo­re­ne Freun­de und Ver­wand­te, die Er­eig­nis­se der Ver­gan­gen­heit – al­les. Wir kämp­fen dar­um, al­les zu­rück­zu­er­lan­gen, bis hin zum An­be­ginn der Schöp­fung, aus dem Be­dürf­nis her­aus, nichts vom Strom der Zeit da­v­on­spü­len zu las­sen. Ver­zeih mir die­ses Phi­lo­so­phie­ren. Ich weiß nicht, ob mir Jan oder ir­gend je­mand an­ders hier zu­stim­men wür­de, und ich will das auch gar nicht her­aus­fin­den. Viel­leicht wür­den ei­ni­ge von ih­nen sa­gen, für sie sei es nur ein Job wie je­der an­de­re oder ein Weg, zu An­se­hen zu ge­lan­gen, oder ei­ne Mög­lich­keit, sich die Zeit zu ver­trei­ben, wer weiß? Den­noch glau­be ich fest dar­an, daß un­ter die­sen ober­fläch­li­chen Mo­ti­ven et­was Sub­ti­le­res ver­bor­gen sein

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