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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ent­wi­ckelt.
    Viel­leicht hat sie über­haupt nie ein Au­ge auf mich ge­habt, son­dern mich nur be­nutzt, um Saul ein biß­chen ei­fer­süch­tig zu ma­chen.
    Wer weiß das schon? Ich nicht. Ich ha­be kei­ne blas­se Ah­nung.
    Das geht nun schon zehn oder zwölf Ta­ge so. Ich will nicht um den hei­ßen Brei her­um­re­den: Ich bin wie vor den Kopf ge­schla­gen. Ich ha­be ab­so­lut kein Recht da­zu, Jan ge­gen­über ir­gend­wel­che Be­sitz­an­sprü­che zu stel­len – wenn man be­denkt, daß al­les, was sich zwi­schen uns ab­ge­spielt hat, nur ei­ne Art ro­man­ti­sier­tes Händ­chen­hal­ten war. Mehr oder we­ni­ger je­den­falls. Aber es ge­fällt mir ganz und gar nicht, wenn ich sie für zwei oder drei Stun­den in Sauls Ka­bi­ne ver­schwin­den se­he. Und daß die Tür auch noch ver­rie­gelt ist.
    Ei­ne Vor­stel­lung al­lein kann manch­mal ei­ne schreck­li­che Be­las­tung sein.
     
    Ein an­ge­neh­mer Ne­ben­ef­fekt die­ses Aspekts der bis­he­ri­gen Rei­se be­steht dar­in, daß ich ei­ne Chan­ce er­hielt, Kel­ly Wach­mann bes­ser ken­nen­zu­ler­nen. Wie du weißt, ma­chen mich An­dro­iden nicht son­der­lich an, und bis vor ein paar Wo­chen ha­be ich kaum mit ihr ge­spro­chen. Ab­ge­se­hen von Fach­sim­pe­lei­en wäh­rend der Aus­gra­bung und Din­gen wie „Scheuß­li­ches Wet­ter heu­te, nicht wahr?“ und „Reich mir doch bit­te mal das Salz“ und „Kannst du mir sa­gen, wie spät es ist?“.
    Ich glau­be so­gar, ich ha­be nie­mals zu­vor mit ei­nem An­dro­iden wirk­lich ge­spro­chen. Ich kann­te ei­ni­ge, die mit mir zu­sam­men das Col­le­ge be­such­ten, aber sie hin­gen dau­ernd zu­sam­men und mach­ten sich nicht die Mü­he, sich um die Ge­sell­schaft von rich­ti­gen Men­schen aus Fleisch und Blut zu be­wer­ben. Und ich mei­ner­seits ha­be nie ver­sucht, mich ih­nen auf­zu­drän­gen. Va­ter hat na­tür­lich ei­ni­ge An­dro­iden, die für ihn in ziem­lich hoch­ran­gi­gen Stel­lun­gen ar­bei­ten, aber auch in die­sem Fall ist es mir nie in den Sinn ge­kom­men, Freund­schaft mit ih­nen zu schlie­ßen. Ich bin den An­ge­hö­ri­gen von Min­der­hei­ten im­mer aus­ge­wi­chen oder ha­be mich ih­nen ge­gen­über sehr zu­rück­hal­tend ver­hal­ten; es ist das all­ge­mein ver­brei­te­te Schuld­be­wußt­sein der hoch­pri­vi­le­gier­ten Klas­sen, das mich im­mer zö­gern ließ.
    Ich sprach mit Kel­ly zum ers­ten­mal an je­nem Abend, be­vor Jan und ich uns aus­ein­an­der­zu­le­ben be­gan­nen. Ich war an die­sem Abend des­halb nicht mit Jan zu­sam­men, weil sie über Kopf­schmer­zen und Un­wohl­sein ge­klagt hat­te und fort­ge­gan­gen war, um die Nichts­kam­mer des Schif­fes auf­zu­su­chen – in der Hoff­nung, daß ihr ei­ni­ge Stun­den Aus­schal­tung al­ler sen­so­ri­schen Rei­ze hel­fen wür­den, sich zu ent­span­nen. Die an­de­ren gin­gen eben­falls ih­ren ei­ge­nen Be­schäf­ti­gun­gen nach: Dr. Schein und Dr. Horkkk schrie­ben Be­rich­te, Pi­la­zi­nool und Mir­rik foch­ten ei­ne er­bit­ter­te Schlacht auf dem Schach­brett, 408b hat­te sich mit­tels Me­di­ta­ti­on in hö­he­re Sphä­ren be­ge­ben und so wei­ter. Ich wan­der­te im Schiff um­her und fühl­te mich al­lein ge­las­sen und ein­sam, und als ich in der Bi­blio­theks­ka­bi­ne war, kam Kel­ly zu mir her­ein und frag­te: „Kann ich mich ei­ne Wei­le zu dir set­zen, Tom?“
    „Ich wür­de es sehr zu schät­zen wis­sen, Kel­ly“, sag­te ich wür­de­voll, sprang auf, um ihr einen Ses­sel her­an­zu­zie­hen und lud sie mit ei­ner rit­ter­li­chen Ges­te ein, Platz zu neh­men – die Über­kom­pen­sa­ti­on des schon er­wähn­ten Schuld­ge­fühls.
    Wir setz­ten uns und sa­hen uns über den Tisch hin­weg an, der aus ei­nem ein­zel­nen, glit­zern­den Kris­tall be­stand. Ich frag­te sie, ob sie gern et­was zu trin­ken hät­te, und sie lehn­te – na­tür­lich – ab, sag­te aber, sie hät­te nichts da­ge­gen ein­zu­wen­den, wenn ich einen Drink näh­me. Ich gab zu­rück, mir stän­de eben­falls nicht der Sinn da­nach. Die­se vor­neh­men und af­fek­tier­ten Ma­nö­ver dau­er­ten ei­ni­ge Mi­nu­ten.
    Dann sag­te sie mit ge­senk­ter Stim­me: „Die­ser Mann ver­folgt mich schon den

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