Nach all den Jahrmilliarden
entwickelt.
Vielleicht hat sie überhaupt nie ein Auge auf mich gehabt, sondern mich nur benutzt, um Saul ein bißchen eifersüchtig zu machen.
Wer weiß das schon? Ich nicht. Ich habe keine blasse Ahnung.
Das geht nun schon zehn oder zwölf Tage so. Ich will nicht um den heißen Brei herumreden: Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Ich habe absolut kein Recht dazu, Jan gegenüber irgendwelche Besitzansprüche zu stellen – wenn man bedenkt, daß alles, was sich zwischen uns abgespielt hat, nur eine Art romantisiertes Händchenhalten war. Mehr oder weniger jedenfalls. Aber es gefällt mir ganz und gar nicht, wenn ich sie für zwei oder drei Stunden in Sauls Kabine verschwinden sehe. Und daß die Tür auch noch verriegelt ist.
Eine Vorstellung allein kann manchmal eine schreckliche Belastung sein.
Ein angenehmer Nebeneffekt dieses Aspekts der bisherigen Reise besteht darin, daß ich eine Chance erhielt, Kelly Wachmann besser kennenzulernen. Wie du weißt, machen mich Androiden nicht sonderlich an, und bis vor ein paar Wochen habe ich kaum mit ihr gesprochen. Abgesehen von Fachsimpeleien während der Ausgrabung und Dingen wie „Scheußliches Wetter heute, nicht wahr?“ und „Reich mir doch bitte mal das Salz“ und „Kannst du mir sagen, wie spät es ist?“.
Ich glaube sogar, ich habe niemals zuvor mit einem Androiden wirklich gesprochen. Ich kannte einige, die mit mir zusammen das College besuchten, aber sie hingen dauernd zusammen und machten sich nicht die Mühe, sich um die Gesellschaft von richtigen Menschen aus Fleisch und Blut zu bewerben. Und ich meinerseits habe nie versucht, mich ihnen aufzudrängen. Vater hat natürlich einige Androiden, die für ihn in ziemlich hochrangigen Stellungen arbeiten, aber auch in diesem Fall ist es mir nie in den Sinn gekommen, Freundschaft mit ihnen zu schließen. Ich bin den Angehörigen von Minderheiten immer ausgewichen oder habe mich ihnen gegenüber sehr zurückhaltend verhalten; es ist das allgemein verbreitete Schuldbewußtsein der hochprivilegierten Klassen, das mich immer zögern ließ.
Ich sprach mit Kelly zum erstenmal an jenem Abend, bevor Jan und ich uns auseinanderzuleben begannen. Ich war an diesem Abend deshalb nicht mit Jan zusammen, weil sie über Kopfschmerzen und Unwohlsein geklagt hatte und fortgegangen war, um die Nichtskammer des Schiffes aufzusuchen – in der Hoffnung, daß ihr einige Stunden Ausschaltung aller sensorischen Reize helfen würden, sich zu entspannen. Die anderen gingen ebenfalls ihren eigenen Beschäftigungen nach: Dr. Schein und Dr. Horkkk schrieben Berichte, Pilazinool und Mirrik fochten eine erbitterte Schlacht auf dem Schachbrett, 408b hatte sich mittels Meditation in höhere Sphären begeben und so weiter. Ich wanderte im Schiff umher und fühlte mich allein gelassen und einsam, und als ich in der Bibliothekskabine war, kam Kelly zu mir herein und fragte: „Kann ich mich eine Weile zu dir setzen, Tom?“
„Ich würde es sehr zu schätzen wissen, Kelly“, sagte ich würdevoll, sprang auf, um ihr einen Sessel heranzuziehen und lud sie mit einer ritterlichen Geste ein, Platz zu nehmen – die Überkompensation des schon erwähnten Schuldgefühls.
Wir setzten uns und sahen uns über den Tisch hinweg an, der aus einem einzelnen, glitzernden Kristall bestand. Ich fragte sie, ob sie gern etwas zu trinken hätte, und sie lehnte – natürlich – ab, sagte aber, sie hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn ich einen Drink nähme. Ich gab zurück, mir stände ebenfalls nicht der Sinn danach. Diese vornehmen und affektierten Manöver dauerten einige Minuten.
Dann sagte sie mit gesenkter Stimme: „Dieser Mann verfolgt mich schon den
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