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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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ihr Handy empfangsbereit neben dem Bett liegen hatte, und seine Hoffnung hatte ihn nicht getrogen.
    »Opa?«, kam die verschlafene Stimme von Rita Bertold aus dem Lautsprecher.
    »Rita, mein Engel, du musst sofort zur Nideggener Burg!«, rief Lorenz erregt aus. »Mobilisiere die Polizei, es geht um Leben und Tod!«
    Die Stimme der Kriminalkommissarin hörte sich mit einem Mal sehr wach an, als sie ruhig und bestimmt sagte: »Opa, jetzt erzähle mir bitte genau, was du meinst. Was ist bei der Burg?«

21. Kapitel
    Die Nacht hatte ihr tiefstes Schwarz bereits verloren. Der Himmel schickte sich an, das erste Grau des nahenden Morgen zu zeigen. Lorenz ging, so schnell es seine Beine erlaubten, mit Rita und Paul den schmalen gepflasterten Weg zum Burghof hinauf. Sie eilten am alten Küchenturm vorbei durch einen düsteren Tunnel. Als sie diesen durchschritten hatten, sahen sie, dass von irgendwoher Lichtfetzen über das alte Gemäuer zuckten. Paul leuchtete mit einer großen Maglite voraus. Der Strahl der Lampe stach durch das Dunkel, traf auf den Burgfried, den mächtigen Jenseitsturm, den Brunnen in der Mitte des Burghofes, die leeren Fensterbögen des ehemaligen Palas, dann ganz am anderen Ende auf den hoch aufragenden Westturm.
    »Ella!« Ritas lauter Ruf schallte durch die Burgruine.
    »Leider ja!«, kam es prompt zurück. Dann sahen sie den Schein einer Taschenlampe auf sich gerichtet, und wenig später stand Ella Kock bei ihnen und knurrte die Neuankömmlinge an: »Rita und ihr großer Freund. Und da haben wir ja auch mal wieder den lieben Opa Bertold. Wehe, ihr habt keinen guten Grund, mich um diese nachtschlafene Zeit hier heraufzulotsen. Wisst ihr, was ich in meinem warmen Bett habe zurücklassen müssen?«
    »Nee, und das wollen wir auch gar nicht wissen«, antwortete Rita. »Ich hoffe nur, niemanden in Handschellen.«
    »Leck mich am Fuß, so hart bin noch nicht mal ich«, grinste die Kommissarin. »Aber wehe, hier ist nichts gebacken! Habe schon mal die Mauern abgesucht, bin selbst noch nicht so lange vor Ort. Nun noch mal ganz genau: Was suchen wir hier?«
    Lorenz antwortete: »Ich habe wieder eine anonyme Mitteilung erhalten. Es geht um Alveradis von Molbach.«
    »Was? Wer?«
    »Das war im dreizehnten Jahrhundert die Hausherrin dieser Burg. Ihr Mann, der Graf Wilhelm, ließ sie nackt und mit Honig beschmiert in einen Eisenkorb an die Burgwand hängen.«
    Ella Kock machte eine Handbewegung, die im Dunkeln nicht genau zu erkennen war. Lorenz glaubte jedoch, dass sie ihm einen Vogel zeigte. »Was interessiert mich eine mittelalterliche Else? Sagt mir, dass ich nicht zu einer Geschichtsstunde aus dem Bett gefallen bin.«
    »Ella, du bist unmöglich«, sagte Rita. »Nun hör doch weiter zu.«
    Lorenz fuhr fort. »Ich habe Anlass zu der Vermutung, dass der Mörder wieder nach altem Vorbild zugeschlagen hat. Sie erinnern sich, der Schmied erschlug den Wilhelm. Und jetzt habe ich Angst, dass wir hier eine Frau in einem Schandkorb finden. Vielleicht aber noch lebend, wenn wir sie schnell genug finden.«
    »Scheibenkleister«, meinte die Kock. »Dann lasst uns schnell weitersuchen. Also eine Art Korb aus Eisen, ein Käfig, in den ein Mensch hineinpasst, richtig?«
    »Richtig«, bestätigte Lorenz.
    »Rita und ich nehmen uns zunächst die Außenmauern vor«, sagte Paul. »Einmal rundherum, das schaffen wir in zehn Minuten. Ella und Lorenz sehen sich hier im Innenbereich um. Lorenz, du kennst doch hier jeden Winkel.«
    Lorenz nickte zustimmend, auch wenn ihm nicht ganz wohl bei dem Gedanken war, mit Ella Kock im Dunkeln allein zu sein. Jedoch sah er ein, dass er die beiden schnellen jungen Leute bei der Umrundung der Burg nur aufgehalten hätte. So trennte man sich. Lorenz konnte den Schein von Pauls Stablampe in den Bäumen sehen, als die beiden ihre Runde begonnen hatten. Die Kommissarin fragte: »So, mein lieber Opa Bertold. Wo suchen wir zwei Hübschen?«
    »Ich denke, wir sollten die Türme absuchen«, meinte Lorenz. »Und in den Brunnen sehen wir hinein.« Da sie in der Mitte des Burghofes standen, war der zentral gelegene Brunnen nur wenige Schritte entfernt. »Der Brunnen ist etwa neunzig Meter tief und reicht über eine natürliche Felsspalte bis zur Rur herunter«, erklärte er der Kommissarin im Gehen. »Früher hat er die Burg versorgt, heute ist er trocken.« Ella Kock leuchtete durch das Sicherheitsgitter in den Brunnen hinein. Dort hing nichts. Das ärgerte Lorenz jedoch nicht im Mindesten. Eigentlich

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