Nach alter Sitte
nicht im Haus«, sagte sie reflexartig anstelle einer Begrüßung.
»Guten Morgen«, antwortete Rita. »Das ist okay, wir benutzen dann ihr Büro für eine Befragung.« Sie ging mit Benny am Schreibtisch der Frau vorbei in das dahinterliegende Büro. Ella Kock zeigte der Sekretärin im Vorbeigehen ihren Ausweis, dann folgte Lorenz. Der schloss die Tür hinter sich.
»Setz dich erst mal hin«, sagte Rita zu Benny, der stumm auf dem von ihr dargebotenen Stuhl Platz nahm. »Können wir uns kurz unterhalten?«, fragte sie leise.
Benny nickte. »Klar. Geht schon wieder.«
Rita ahnte, dass dem nicht so war, sagte aber dazu nichts weiter. »Ihr wart also gestern Abend zusammen, du und Vera. Wo?«
»In Blens, bei der Baustelle«, antwortete Benny. »Wir gingen zu dem Grillplatz am Waldrand, nicht weit entfernt.«
»Weißt du, wie lange ihr da geblieben seid?«
»Nicht genau. Es war aber schon dunkel. Ich hab sie danach noch ins Dorf gefahren. Sie hatte ein Zimmer in der Bauernstube . Was ist denn passiert?«
»Alles hübsch nacheinander«, mischte sich Ella ein. »Sie sind intim geworden, vermute ich?«
Benny sah Rita und dann Lorenz an. Rita nickte ihm zu. »Wir erzählen dir gleich, was geschehen ist, aber du musst uns zuerst unsere Fragen beantworten. Umgekehrt geht leider nicht.«
»Wir hatten Sex, das ist wahr«, antwortete Benny.
»Mit oder ohne Kondom?«, wollte Ella wissen.
Benny wurde rot und ließ sich mit der Antwort etwas Zeit. »Leider ohne. Fiel mir später auch ein, wie blöd das war. Ist mir echt peinlich, aber ...« Er stockte wieder und musste erneut mit den Tränen kämpfen. Wie allen anderen Anwesenden fiel auch ihm auf, dass dies unter anderen Umständen extrem peinlich gewesen wäre, nun jedoch eher ein Detail war, das angesichts der Ungeheuerlichkeit des gewaltsamen Todes des Mädchens völlig unterging.
Rita meinte: »Stimmt schon, das war ziemlich dumm. Aber wir kennen alle solche Situationen, in denen man Dinge tut, die man eigentlich so nicht tun möchte. Aber es erklärt die Ergebnisse der ersten Untersuchung.«
»Sieht demnach so aus, als müssten wir nicht lange nach dem Urheber des Spermas suchen«, fügte Ella hinzu und handelte sich dafür einen bösen Blick von Rita ein.
»Was ist denn nun passiert?«, fragte Benny wieder.
»Moment noch«, antwortete Rita. »Du sagst, du hast sie zur Pension gebracht. Seid ihr noch zusammen rein?«
Benny schüttelte den Kopf. »Es war schon spät, und sie wollte früh raus wegen der Grabung, bei der sie immer als Erste da sein sollte, weil die anderen Studenten ohne sie wohl nix auf die Reihe kriegen. Ich bin gar nicht ausgestiegen, weil ...« Wieder stockte er.
»Weil?«, fragte Ella.
»Ich hatte meine Hose nicht an, weil die im Gras gelegen hatte und nass geworden war. Und Vera meinte, ich sollte so besser gar nicht erst auf die Straße treten.«
»Haben Sie das Mädchen ins Haus gehen sehen?«
Benny schüttelte den Kopf. »Nein. Als ich losfuhr, stand sie vor dem Eingang. Habe ihr noch zugewunken. Als ich auf der Landstraße war, hab ich ihr noch ’ne SMS geschrieben.«
»Sie hatten ihre Handynummer?«
»Die hatte sie mir gegeben, bevor sie ausgestiegen ist. Ich wusste ja nicht, ob ich sie heute wiedersehen würde. Habe mir ja eben erst den Tag freigetauscht.« Wieder begann er zu schluchzen, als er merkte, dass er sie nicht wiedersehen würde.
Rita ließ ihm ein wenig Zeit, bevor sie fragte: »Hat sie auf die SMS noch geantwortet?«
»Nein. Hat mich ein bisschen traurig gemacht. Ich wusste ja nicht, was ihr der Abend bedeutet hatte. Hab mein Handy angelassen, aber es kam keine Antwort. Hab gedacht, sie hätte ihres vielleicht aus und gar nicht mehr angemacht.«
»Sie wissen also nicht, ob sie dann auch tatsächlich auf ihr Hotelzimmer gegangen ist?«, fragte Ella. Benny schüttelte stumm den Kopf. Es entstand eine Pause, in die hinein Lorenz dann sagte: »So, jetzt ist es aber an der Zeit, dass ihr uns sagt, was passiert ist. Ihr habt den armen Jungen genug ausgefragt.«
»In Ordnung«, meinte Rita, den Einspruch signalisierenden Blick von Ella Kock ignorierend. »Ich erspare euch die Details. Das Mädchen wurde betäubt und erstickt. Sie war nackt, ihr ganzer Körper war mit Honig eingeschmiert. Auf ihrem Mund klebte ein Zettel mit einem Text. Moment, ich lese ihn euch vor.« Sie kramte ihren Notizblock hervor und las: »Mein Volk hat einmal mich befreit. Ob Opa Bertold ebenso gescheit?«
Lorenz schüttelte entsetzt den
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