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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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nicht. Ich habe meinen Bruder verloren, er seinen besten Freund. Obwohl man Davids Tod nicht mit Felix’ Schicksal vergleichen kann. David war der Täter, Felix das Opfer. David ist tot, Felix lebt. Jannik und Felix sind immer noch Freunde, aber nicht mehr wie vor diesem Tag. Es gibt für sie kein gemeinsames Fußballspielen mehr, keine Gespräche über Mädchen oder Partys. Ich weiß, dass Jannik sich für jeden seiner Schritte schämt, wenn Felix dabei ist. Für jeden Sprung von einer Treppenstufe, für jedes Lachen. Zurzeit ist Felix noch in der Reha, Jannik besucht ihn dort so oft wie möglich. Wir sprechen nicht darüber, wie es sein wird, wenn Felix wieder zur Schule geht, ganz gleich, ob er hierher zurückkommt oder woanders neu anfangen will.
    Mir ist immer noch etwas übel, als ich die Klinke zu meinem Klassenzimmer berühre. Ich könnte den Rest der Stunde auf dem Hof verbringen, frische Luft würde mir bestimmt guttun. Aber das wäre feige. Es werden viele weitere Stunden mit Schneider folgen, und je früher ich mich daran gewöhne, umso besser.
    Das Gemurmel, das ich vor der Tür stehend vernommen habe, wird leiser, als ich den Saal betrete, und bleibt auf diesem niedrigen Level, auch noch Minuten später. Jetzt bin ich es, wegen der niemand der Lauteste sein will. Schneider erzählt inzwischen etwas Neues, und mich auf ihn zu konzentrieren, erscheint mir in Anbetracht meiner verlegenen Mitschüler als das kleinere Übel. Ich folge Schneiders Worten, den Bewegungen der Muskeln in seinem Gesicht. Ein Schweißtropfen löst sich seitlich an seiner Stirn. Obwohl ich in der dritten Reihe sitze und einige Meter zwischen ihm und mir liegen, sehe ich überdeutlich, wie der Tropfen dicht am Haaransatz entsteht und sich der Schwerkraft folgend einen Weg nach unten bahnt, an einigen Fältchen und schließlich an den ersten Bartstoppeln ins Stocken gerät, sich mühsam weiterkämpft. Schneider könnte ihn aufhalten, doch er bemerkt ihn nicht.

2
    Nach der Stunde treffe ich mich mit Jannik auf dem Flur. Die nächste Unterrichtseinheit haben wir in zwei nebeneinander gelegenen Räumen. Wir bleiben nicht lange allein, Janniks Clique gesellt sich zu uns. Eigentlich ist es auch meine Clique, aber sie wurde es nur, weil ich mit Jannik zusammen bin, seit sieben Monaten jetzt. Ich kann die meisten von Janniks Freunden gut leiden, doch darauf beschränkt es sich. Ich habe mich nie gefühlt, als hätte ich mir diese Leute als Freunde ausgesucht, und so war es ja im Grunde auch nicht.
    Die Einzige in der Clique, mit der ich überhaupt nicht klarkomme, ist Sandra. Sie scharwenzelt um Jannik herum, dass einem schlecht werden kann. Jannik scheint es gar nicht zu bemerken, und als ich ihn ganz am Anfang mal darauf angesprochen habe, hat er gesagt, er kenne Sandra einfach schon sehr lange und sei dementsprechend vertraut mit ihr, jedenfalls sei er sicher, dass Sandra nur freundschaftlich für ihn empfinde. Dass Jannik in dieser Hinsicht keine Augen im Kopf zu haben scheint, macht die Sache nicht besser. Ich glaube, Sandra wartet nur auf ihre Chance. Romy hat mir gegenüber auch einmal so etwas angedeutet.
    Romy und Marc sind die beiden in der Clique, mit denen ich mich am besten verstehe. Sie sind schon seit über einem Jahr zusammen, und wir sind öfter zu viert ausgegangen, ohne die anderen, nur Romy, Marc, Jannik und ich. Bei diesen Unternehmungen habe ich mich am wohlsten gefühlt, und ich war froh, dass es solche Momente gab, weil Sophie, meine ehemalige beste Freundin, gerade nach Schweden gezogen war und die Viererdates den Verlust ein bisschen erträglicher machten. Wir waren gemeinsam im Kino und haben uns Gruselfilme und kitschige Liebesschnulzen angesehen. Wir haben uns im Burger King die Bäuche vollgeschlagen. Ein paar Mal sind wir auch durch die Stadt gelaufen und haben so getan, als seien wir Touristen, haben pausenlos unsere Digicams gezückt und unter lauten Begeisterungsrufen alle möglichen langweiligen Dinge fotografiert. Touris haben die in diesem Kaff bestimmt noch nie gesehen, hat Romy gekichert, guckt mal, die starren uns an wie die Tiere im Zoo. Die Unternehmungen zu viert waren wirklich immer ein schöner Zeitvertreib, doch sie haben nun aufgehört. Alles hat aufgehört in den letzten Wochen, seit Felix nicht mehr mit uns zusammen hier auf dem Flur steht.
    Â»Hey«, sagt Andi, als wir nun zu

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