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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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siebt zwischen den beiden Schulsälen auf den Beginn der nächsten Stunde warten. »Hat jemand noch was zu essen übrig, das er nicht braucht? Meine Mum ist auf dem Obsttrip und hat mir lauter Zeug eingepackt, von dem kein normaler Mensch satt wird. Da hat man hinterher mehr Hunger als vorher.«
    Â»Schmier dir halt deine Brote endlich mal selber«, brummt Jannik.
    Â»Genau«, bekräftigt Sandra und sieht Jannik an, als hätte er etwas furchtbar Schlaues gesagt. Echt widerlich ist das. Und Jannik merkt mal wieder nichts.
    Â»Ich habe noch ein Snickers, das kannst du kriegen«, sagt Marc.
    Er geht mit Andi ins Klassenzimmer, um die Snickersübergabe zu regeln. Wir Zurückgelassenen wissen nicht, was wir miteinander reden sollen. Ich habe den Eindruck, als wäre das Schweigen heute sogar noch erdrückender als sonst, aber so erscheint es mir inzwischen an jedem Tag, jeder neue Tag ist noch unangenehmer als der vorherige. Außer Romy und Marc tun sich alle in der Clique schwer mit mir und sogar diese beiden behandeln mich wie ein rohes Ei. Ich bin nun mal Davids Schwester und werde es auch nach seinem Tod immer bleiben. Ich werde immer die Schwester des Verantwortlichen sein. Und Jannik ist Felix’ bester Freund. David ist schuld, dass Felix nicht mehr laufen kann. Und ich bin ebenfalls schuld, dass Felix nicht mehr laufen kann, weil ich nichts bemerkt habe in den Tagen und Wochen vor Davids Tat und ihn nicht aufhalten konnte – so jedenfalls kommt es mir vor. Niemand hat mir gegenüber jemals einen Vorwurf ausgesprochen oder mir eine Mitverantwortung zur Last gelegt, aber wenn der Gedanke für mich selbst naheliegend ist, dann muss er es für die anderen auch sein. Ich bin Davids Schwester. Jannik ist Felix’ bester Freund. David ist schuld an Felix’ Zustand. Die Schlüsse, die man daraus ziehen muss, sind offensichtlich.
    Ich fange zufällig einen Blick von Patrick auf, der mir seltsam vorkommt; ein Blick, als könne Patrick meine Gedanken lesen. Wahrscheinlich ist das nur Einbildung, beruhige ich mich, Patrick ist einfach nur unsicher.
    Â»Komm, wir gehen ein paar Schritte«, sagt Romy und zieht mich von der Gruppe weg.
    Ich merke, dass ihr etwas auf der Seele brennt. Sie mustert kritisch das Zifferblatt ihrer Armbanduhr. Die Fünf-Minuten-Pause wird gleich zu Ende sein.
    Â»Sandra sagt, du hättest gewusst, dass David den Amoklauf geplant hat.«
    Dieser Satz verschlägt mir die Sprache. Romy wartet ab, bis ich mich wieder gefangen habe.
    Â»Was?«, sage ich und kann das Gehörte immer noch nicht richtig glauben. »Spinnt die? Ich hätte doch niemals zugelassen, dass so was passiert, wenn ich irgendetwas geahnt hätte!«
    Romy bemüht sich um ein beruhigendes Lächeln, doch ich merke, wie schwer es ihr fällt.
    Â»Ich weiß das«, entgegnet sie. »Jannik weiß es auch und Marc würde so was auch nie glauben. Aber Patrick und Andi sind misstrauisch. Die kennen Sandra viel länger als dich, und sie nehmen sie ernst mit dem, was sie sagt. Sie behauptet, sie habe gehört, wie du mit jemandem telefoniert und es dieser Person gestanden hast.«
    Ich erwidere nichts. Sandras Gemeinheit macht mich fassungslos. Ich hatte immer befürchtet, dass sie irgendwann versuchen könnte, mir Jannik auszuspannen, aber dass sie dafür zu solchen Mitteln greifen würde, hätte ich nie erwartet.
    Â»Wie praktisch«, fährt Romy fort, »dass es ein Telefonat gewesen sein soll und sie daher nicht wissen kann, mit wem du gesprochen hast. So kann man denjenigen nicht dazu befragen. Sandra kann es einfach behaupten und Misstrauen säen.«
    Ich drehe mich zur Wand, denn ich will nicht, dass Romy oder irgendjemand anders auf dem Flur meine Tränen sieht. Die Klingel ertönt und schrillt in meinem Kopf noch einige Sekunden lang nach. Romy legt ihre Hand auf meine Schulter.
    Â»Nimm’s nicht so schwer«, sagt sie. »Was immer Sandra behauptet, ich bin für dich da. Versprochen.«
    Â»Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    Romy zögert, doch als ich mich umdrehe und ihr mit einem Blick signalisiere, dass ich nicht lockerlassen werde, ehe sie geantwortet hat, rückt sie mit der ganzen Geschichte heraus.
    Â»Also, zunächst hat sie nur gesagt, du hättest davon gewusst. Damit hat sie erst mal noch keiner richtig ernst genommen. Aber als Marc wissen wollte, warum du so was Krasses für dich

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