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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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ja auch sein erstes mal.
    Wie hieß das Mädchen?
    katja, glaube ich.
    â€¦
    hat dir das weitergeholfen?
    â€¦
    du, ist alles ok?
    Katja.
    Ja. Ich muss jetzt Schluss machen.
    du machst dir echt vorwürfe, oder? hättest du denn was merken können, wenn du aufmerksamer gewesen wärst?
    Katja. Ihr Name war Katja.
    Ich weiß nicht. Vielleicht. Aber es kann doch keiner ahnen, dass jemand sowas Schlimmes tut, nur weil er Mist erlebt hat. Passiert uns doch allen immer wieder mal, dass wir verarscht werden.
    na ja, rechnen muss man mit allem. macht dir denn sonst irgendjemand vorwürfe?
    â€¦
    also ja.
    Du verstehst das nicht. In der Schule denken sie sich Lügen aus. Ich hätte davon gewusst und es sogar mit ihm zusammen geplant.
    krass.
    Ist das alles, was dir dazu einfällt?
    hm. kann ja theoretisch so gewesen sein. das kannst du denen nicht vorwerfen, dass sie solche gerüchte glauben oder sogar selbst in die welt setzen. die versuchen, irgendwie mit der sache umzugehen.
    Auf meine Kosten!
    klar ist das doof für dich …
    Doof? Doof ist, wenn man spazieren geht und einem eine Taube auf den Kopf kackt. Das, was die mit mir machen, ist Mobbing!
    wie gesagt, ich denke, die versuchen nur, ihren eigenen kram auf die reihe zu bekommen. da bist du halt der sündenbock.
    Toll.
    das hört auch wieder auf.
    Du laberst so eine neunmalkluge Scheiße!
    tja, wenn du meinst. sag mal, ich denke, du musst schluss machen?
    Muss ich auch.
    na dann ciao. alles gute.
    Und dann knallt er doch tatsächlich einen Smiley dahinter!
    Arschloch!, tippe ich, doch bevor ich es abschicke, lösche ich es wieder.
    Ich logge mich aus. Dann logge ich mich noch mal ein und entferne Callisto von meiner Freundesliste. Ich brauche ihn nicht mehr und ein Idiot ist er sowieso. Auch wenn er mir irgendwie geholfen hat. Dank ihm gibt es plötzlich keine wirkliche Unklarheit mehr, was Davids Opferwahl betrifft. Schneider hat sich vor seine Klasse gestellt, um sie zu beschützen. Felix hätte eigentlich bei Jannik in der Sporthalle sein sollen, ist aber auf dem Weg zur Toilette David in die Arme gelaufen. Norman und Farin haben Kugeln abbekommen. Tobias hatte wahrscheinlich einfach nur Glück, David muss ihn verfehlt haben. Katjas Tod war bislang für mich nicht erklärbar. Jetzt ist er es. Die Katja, die er erschossen hat, muss jene Katja gewesen sein, in die er verliebt war und die ihn wie Dreck behandelt hat. Vom Alter her passt es. David wollte niemandem etwas tun, der nicht zuvor ihm etwas angetan hatte. Es tut so gut, das zu wissen, wenigstens das zu wissen. Er hat nicht wahllos auf Unschuldige geschossen. Natürlich ließ es sich nicht steuern, natürlich hat es auch Unschuldige getroffen. Aber das waren Opfer, die er in Kauf nehmen musste … nein, musste er nicht … Es waren Opfer, die er in Kauf genommen hat. Er hatte Felix und Schneider nicht im Visier, er hatte ihnen nichts tun wollen, bei ihnen war es quasi ein Unfall. Bei Norman, Farin und Katja hatte er seine Gründe. Wenigstens das.
    Auch wenn das eigentlich nichts entschuldigt.

17
    Wie sie durch den Vorgarten geht. Als ob sie vor nichts Angst haben müsste. Das Haus ist mit weißen Klinkern überzogen und hat ein anthrazitfarbenes Dach. Im Vorgarten wachsen ein paar Osterglocken und Gänseblümchen auf dem Rasen, als Abschluss der Grünfläche wuchert zur Straße hin ein niedriges, perfekt gestutztes Gestrüpp, das eine Grenze zum öffentlichen Terrain schaffen soll. Jannik würde das Grundstück spießig nennen. Ich eigentlich auch, doch die Anwesenheit des Mädchens macht es zu etwas, das Kraft ausstrahlt. Ich stelle mir vor, wie es hinter dem Haus aussehen könnte. Dort gibt es wahrscheinlich einen richtigen Garten, mit Blumeninseln, plätscherndem Gartenbrunnen, Terrasse und Markise, das volle Spießerprogramm.
    Sie ist etwa so alt wie ich. Ich glaube nicht, dass sie auf meine Schule geht, ihr Gesicht weckt keine Erinnerungen in mir. Allerdings hat das Katjas Gesicht auch nicht getan, und Katja habe ich ganz sicher hin und wieder mit einem Blick gestreift. Aber Katja war etwas jünger, und die Jüngeren habe ich, mit Ausnahme einzelner Mitschüler von David, nie wirklich beachtet. Eine Gleichaltrige hätte ich wahrscheinlich wahrgenommen. Ich bin mir relativ sicher, dieses Mädchen noch nie gesehen zu haben.
    Sie hat ein paar Osterglocken gepflückt und bringt sie ins Haus.

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