Nach dem Bankett.
die Köpfe der Zuschauer fel. Dann rannte er mit der Fackel auf die rechte Seite der Galerie zu, und das schwere, überhängende Tempeldach erglühte ro im Feuerschein. Als die Fackel, deren Leuchtkraft bereits ein wenig nachließ nochmals an der rechten Balustrade herumgewirbelt wurde, leuchteten die Zypressen im Lichte der sprühenden Feuerfunken in tiefem dunklem Grün.
Nun kam auch die Menge, die in Andacht versunken gewesen war, wieder in Bewegung. Bewundernde Schreie mischten sich in den Chor der laut hallenden Stimmen, die die Gebete sprachen. Noch immer rieselten Funken, wie Goldstaub auf die Köpfe der Zuschauer herunter, und über ihnen ragte, dunkel und erhaben der Februar-Tempel auf.
»Unbeschreiblich! Wirklich unbeschreiblich!« sagte Kazu immer wiede Noguchi bemerkte, daß sie weinte.
Es war kurz vor Tagesanbruch, als sie alle zum Hotel zurückkehrten. Sie waren zu müde gewesen, um nach der Omizutori-Zeremonie noch auf das Tataren-Ritua zu warten, das am frühen Morgen stattfnden sollte. Als sie sich eben in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, hörten sie in der Ferne die Hähne krähen. Abe
noch war kein Morgengrauen am Himmel zu sehen.
Noguchi schlug vor, ein Bad zu nehmen, bevor sie zu Bett gingen. Kazus Augen glitzerten noch vor Aufregung. Sie sagte, sie sei zwar sehr müde, könne aber sicher nicht schlafen. Sie legte ihren Überwurf ab und faltete ihn langsam und umständlich zusammen, um Noguchis Aufmerksamkeit auf das Futter zu lenken. Er näherte sich dem Bett, auf dem der Überwurf unter der hellen Deckenlampe ausgebreitet lag. Auf das weinrote Futter waren mit geschickter Hand die ersten Zeilen eines Gedichtes gemalt.
»Was ist denn das?« fragte Noguchi, während er seine Krawatte lockerte.
»Ein Gedicht von Sogi. Ich habe eigens für diese Reise einen Kalligraphen gebeten, es zu schreiben. Es ist doch schon Frühling.« Sie verriet nicht, daß der Stofhändler die Idee mit dem Gedicht von Sogi gehabt hatte.
»Ich warte auf dich«, las Noguchi:
»Ich warte auf dich,
Wüßtest du’s nur, laß dir Zeit,
Blume des Frühlings.«
Noguchi vergaß, seine Krawatte abzunehmen, und starrte lange auf das Gesicht. Kazu betrachtete die alte, vertrocknete Hand des Mannes, auf der sich die Venen abzeichneten. Sie fand sie schön.
»So ist es also«, sagte Noguchi schließlich. Das waren seine einzigen Worte. An dem Morgen, vor Anbruch des Tages, schliefen der Mann über sechzig und die fünfzigjährige Frau in einem Bett.
Die Vermählung
Bereits eine Woche nach der Rückkehr aus Nara konnte Kazu ihre Ungeduld nich mehr bezwingen und lud ihre Reisebegleiter zum Dank zu sich ins Setsugoan ein Sie hatte folgendes Menü für diesen Tag zusammengestellt:
HORSD’UVRE:
Junge Ackerschachtelhalme mit zerstoßenem Sesam;
geräucherter Karpfen; Hufattich-Rolle; gekochter Meeraal;
Zwergmeerbrasse auf Reis, in Bambusblätter gewickelt
SUPPE:
Klare Suppe mit Pfaumen; Mehlklößchen in Sternform;
Schnittlauch und jungen Bergpfeferblättern
ROHER FISCH:
Meerbrasse à la Kiefernrinde; gestreifter Blaufsch
AUF DEM ROST:
Gesalzene Hummer; Pilze; in Miso eingelegter grüner Pfefer
GEKOCHTES:
Wakame Seegras; junge Bambussprößlinge; junge Bergpfeferblätter
Obgleich die Anzahl der Gäste beschränkt war, ließ Kazu den großen Saa herrichten. Sie wollte, daß es ein unvergeßlicher Abend würde, an den man noch nach Jahren zurückdachte.
Noguchi und Kazu waren zwei Tage länger in Nara geblieben als die übrige Reisegesellschaft. Sie hatten noch verschiedene andere Tempel besichtigt und waren an einem schönen klaren Vormittag wieder zum Februar-Tempel gegangen und sogar die Steintreppen bis zum Podium hinaufgestiegen. Die Omizutor Feiern waren zu Ende, und die Jünglinge, die an jenem Abend ihre Aufgabe so mutig ausgeführt hatten, saßen nun mit einfältigen Dorungengesichtern auf den warmen Steinstufen in der Sonne. Vom Podium aus betrachteten Noguchi und Kazu den welken Grashang, der jetzt aussah, als sei eine Feuersbrunst darübe hinweggegangen. An einigen Stellen der dunklen verbrannten Grasfäche zeigten grüne Flecken an, daß dort bereits wieder junges Gras sproß.
Auf diesen Spaziergängen wurden nur wenige Worte gewechselt. Sie
sprachen von Vergangenem und von der Zukunft, und wie von selbst kamen sie auf die Hochzeit zu sprechen. Kazu wollte sich nicht von ihren Gefühlen fortreißen lassen. Sie hörte sich zuerst Noguchis Meinung
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