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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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Nara-Hotel und begaben sich, ohne sich auszuruhen, in den Speisesaal. In Nara war es ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Man hatte Kazu berichtet, daß zur Zeit des Quellenfestes meist strenge Kälte herrsche. Um so mehr freuten sie und die alten Herren sich über den unvermutet warmen Abend.
       Die Feierlichkeiten zum Frühlingsquellenfest im Februar-Tempel beginnen alljährlich bereits am ersten März. Aber der Höhepunkt des Festes ist das Abbrennen der riesigen Fackeln in der Nacht vom zwölften zum dreizehnten, dem sich gegen Morgen das Schöpfen des heiligen Wassers und das geheimnisvolle Tataren-Ritual anschließt. Diese nächtliche Zeremonie lockt das meiste Publikum an.
       Nach dem Abendessen eilten die Herren und Kazu zum Februar-Tempel und fanden zu ihrer Überraschung eine große Menschenmenge vor. Die Menschen schienen mehr der Sensation, des ungewöhnlichen Ereignisses wegen gekommen zu sein, und weniger, weil sie einer religiösen Handlung beiwohnen wollten.
      Als der Augenblick kam, in dem die riesigen Kiefernfackeln angezündet werden sollten, bahnte ein Priester der Gruppe im Dunkeln den Weg durch die Menge zur Galerie des Tempels. Noguchi hatte Kazu bei der Hand genommen und schritt sicher voran, ohne sich um den unebenen Boden zu kümmern. Es war ein ganz anderer Noguchi als der, der in Ueno gezögert hatte, über die Straße zu gehen. Vor den Autos hatte er sich gefürchtet, aber vor Menschen schien e nicht zurückzuschrecken. In seiner Haltung lag eine tief eingewurzelte Würde als er die bäuerlich aussehenden Leute beiseite schob.
       Die vornehmen Gäste wurden in die Nähe eines Bambuszaunes geführt, den man errichtet hatte, weil die Leute nicht in den Tempel drängen sollten. Gleich hinter dem Bambuszaun lagen die Stufen zur Galerie des Tempels, auf denen die Fackeln abgebrannt werden sollten. Der achtzigjährige Journalist schien von dem beschwerlichen Weg erschöpft zu sein, denn er klammerte sich am Zaun fest und rang nach Luft. Der Direktor der Zeitung war seinetwegen in ständiger Angs und besorgte ihm einen kleinen Klappstuhl.
      Auch Kazus Sandalen war der Weg schlecht bekommen. Der Boden des Abhangs, auf dem sie standen, war nur spärlich mit Gras bewachsen und aufgeweicht. Um ihre Sandalen etwas zu schonen, klammerte sich auch Kazu am Bambuszaun fest. Sie wandte den Kopf nach hinten, um Noguchi zuzulächeln aber sein lächelndes Gesicht wurde von der Dunkelheit verschluckt. Hoch übe ihren Köpfen erhob sich majestätisch der Tempel mit dem geschwungenen überhängenden Dach. Aus seinem Innern drang eine mysteriöse Helle, und vereinzelt glitzerten Sterne, wie Wassertropfen, zwischen den hohen schmalen Zedern um den Tempel.
       Der ›Siebenmalige Botengang‹ hatte bereits angefangen. Eine hohe Gestalt in gegürtetem Gewand – der oberste Geweihte – schritt mit hoch erhobener Facke die Steintreppe hinauf und wieder hinunter. Jede Phase dieser ›Botengänge wurde mit lauter, weithin hallender Stimme angekündigt: das Weihrauchopfe die folgenden kultischen Handlungen und die Anbetung. Die umhersprühenden Funken der Fackel machten das Ritual zu einem Bild imposanter Feierlichkeit. Fü die Zuschauer, die nichts von den altertümlichen Traditionen des esoterischen Buddhismus und des Dual-Shintoismus wußten, mußten die merkwürdige Aufmachung des obersten Geweihten, seine Erregung und seine Ekstase wie ein Zeichen drohenden Unheils erscheinen. Selbst als der Geweihte verschwand und keine Fackel mehr die Steinstufen erhellte, hatte man noch den Eindruck daß sich etwas Schreckliches in dieser Leere ereignen würde. Kazu war nie besonders gläubig gewesen; und es kam selten vor, daß sie von etwas ergrifen war, was sie nicht mit eigenen Augen sehen konnte. Als sie aber jetzt zu den Granitstufen aufblickte, die kalt und weißlich schimmernd zur Galerie des Tempels hinauführten, fühlte sie ihr Herz die Stufen emporschweben, um des bedeutsamen Geschehens in einer unsichtbaren Welt teilhaftig zu werden.
       Hin und wieder fragte sich Kazu – so heiter und optimistisch sie auch war – was wohl nach dem Tod geschehen würde. Diese Überlegungen riefen sofort den Gedanken an die Sünde in ihr wach, an ihre Sünden. Während sie die Wärme von Noguchis Mantel in ihrem Rücken spürte, wurden Erinnerungen an vergangene Afären lebendig, an die sie in Noguchis Gegenwart noch nie gedacht hatte. Männer waren ihretwegen in den Tod gegangen, andere hatten

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