Nach dem Bankett.
zerrissen. »Ich hatte gedacht, Noguchi sei ein ebensolche Lebenskünstler wie ich. Aber wie ich sehe, habe ich ihn überschätzt. Gratuliere alter junge, daß du kein Genie bist! Darauf laßt uns anstoßen! Wo steckt denn unsere Wirtin?« rief der Alte mit donnernder Stimme. Dann fuhr er den Direkto der Zeitung an: »Auf was wartest du noch? Marsch, zum Telefon. Das wird eine sensationelle Erstmeldung unserer Zeitung!«
»Sie behandeln mich noch immer wie einen jungen Reporter, trotz meine Jahre«, protestierte der Gewaltige, worauf alle lachten. Plötzlich herrschte aufgelockerte Stimmung.
»Wo bleibt denn unsere Wirtin?« rief der Alte noch einmal. Während de Reise hatte Kazu ihn nie so sprechen hören. Sie spürte, daß er jetzt absichtlich den forschen, rauhen Ton der Studenten der Jahrhundertwende trefen wollte Kazu hielt die Zeit für gekommen, wieder in den Saal zurückzukehren, und prallte in der Tür fast mit dem Direktor zusammen, der zum Telefon eilte, um die Redaktion seiner Zeitung zu informieren. Als er an Kazu vorbeiging, knif er sie in die wohlgerundete Schulter.
Am nächsten Morgen stand die Nachricht in der Zeitung. Sofort kam ein Anru von Nagayama Genki. Seine Stimme klang heiter, als er sie begrüßte: »Guten Morgen! Wir haben uns lange nicht gesehen, ich hofe, es geht dir gut. Übrigens – die Nachricht in der Zeitung ist doch wohl nur ein Gerücht, nicht wahr?«
Kazu schwieg.
»So, so! Nun, wenn sie auf Wahrheit beruht, habe ich etwas mit dir zu besprechen. Kannst du gleich zu mir ins Büro kommen?«
Kazu sagte, sie sei leider zu beschäftigt; aber diese Ausrede verfng nicht be Genki. »Zu beschäftigt!« sagte er. »Ich bin es, der viel zu tun hat. Und wenn ich trotzdem, zu deinem Besten, mit dir sprechen will, dann mußt du schon sehen, daß du herkommst. Ich bin heute im Büro des Marunouchi-Gebäudes.«
Genki hatte an verschiedenen Orten sogenannte Büros, die eigentlich die Empfangszimmer der Büros seiner Freunde waren. Aber das Seltsame daran war, daß er in all diesen Büros nur auf eine Klingel zu drücken brauchte, und es wurde alles erledigt, was er befahl – genauso, als wäre er Herr der Firma. Ebenso anspruchsvoll benahm er sich auch den Angestellten gegenüber. Kazu kannte das Büro im alten Marunouchi-Gebäude, da sie bereits einige Male dort gewesen war. Es gehörte einer großen Fischereigesellschaft, deren Präsident aus Genkis Heimat stammte.
Es war ein regnerischer, verhältnismäßig kühler Frühlingstag. Kazu schritt an den düsteren Läden im Parterre des Marunouchi-Gebäudes vorbei durch den trostlos wirkenden Säulengang, der von den triefenden Schirmen der Passanten naß war. Die Vorübergehenden wirkten in ihren Regenmänteln irgendwie fnster und unfreundlich. Als sie am Morgen die Nachricht gelesen hatte, war ihre Freude so groß gewesen, daß sie die Zeitung dem Hausaltar dargebracht hatte. Und jetzt wurde diese Freude durch einen Mann getrübt, dem sie oft genug mit Geld ausgeholfen und immer so viel gegeben hatte, wie er haben wollte. Und hatte sie je etwas dafür verlangt?
Niedergeschlagen fuhr sie mit dem Fahrstuhl nach oben. Aber als sie Genkis spöttisch lachendes Gesicht sah, waren ihre trüben Gedanken wie weggewischt, und sie wurde wieder fröhlich. Sie freute sich jetzt geradezu über diese Verabredung mit einem sehr beschäftigten, berühmten Politiker, eine Verabredung, die aus einem rein privaten Grunde zustande gekommen war.
»Du stellst ja die unglaublichsten Sachen an! Du verführst – ich weiß nicht wann – ohne Erlaubnis deines Vaters einen Mann« platzte Genki sofort heraus.
»Oh, ich dachte, Sie wären mein großer Bruder. Aber ob Vater oder Bruder, Sie sind ja auch nicht so ganz ohne und haben bestimmt kein Recht, mir eine Moralpredigt zu halten. Das möchte ich mir im voraus verbitten.«
Es war gar nicht Kazus Art, so obenhin und frech zu antworten. Aber das Lächeln wich nicht aus Genkis feistem Gesicht, das wie ein einziger Tonklumpen wirkte. Während er bedächtig eine Zigarette zwischen den Fingern hin- und herrollte, um sie weicher zu machen, wie es seine Angewohnheit war, sagte er: »So ungeduldig brauchst du doch jetzt nicht mehr zu sein. Über das heiratsfähige Alter bist du ohnehin längst hinaus.«
»Ja, allerdings. Schon einige Dutzend Jahre . . .«
Nach diesem scherzhaften Geplänkel erwartete Kazu, daß Genki ihr die altmodische Frage
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