Nach dem Bankett.
werden sollten. Dadurch war er in der Lage, Noguchi auf allen Gebieten Ratschläge zu erteilen. Noguchi, der sich stets streng an das Gesetz hielt, beabsichtigte, bis zum Tage der Wahlausschreibung nichts zu unternehmen. Den Funktionären der radikalen Reformpartei war es jedoch wohl bekannt, daß Kazu und Yamazaki sich heimlich trafen. Sie ließen Yamazaki wissen, daß er Kazu ruhig machen lassen solle, was sie wolle, wenn sie nur nicht über die Stränge schlüge. Noch nie hatte die Reformpartei einen so mächtigen Gönner gehabt, einen Gönner, der viel Geld und Enthusiasmus besaß und überdies noch eine Frau war. Wenn Noguchi hin und wieder von Tätigkeiten hörte, die einem Vorwahlkampf ähnelten, nahm er natürlich an, daß diese Aktionen von seiner Partei fnanziert würden. Er hatte sein halbes Leben lang von Geldern gelebt, die aus dem Staatsbudget stammten, so daß er die Vorstellung hatte, ›öfentliche Gelder‹ seien etwas Unerschöpfiches.
Die Visitenkarten waren bald fertig. Kazu verteilte sie in Zigarettenläden und an Serviermädchen in Restaurants. Eines Tages, als sie mit Yamazaki im Wagen fuhr, befahl sie dem Chaufeur, vor einer großen, bekannten Bäckerei zu halten Sie ging in den Laden, gefolgt von Yamazaki, und kaufte für dreitausend Yen Marmeladenrollen. Es war viel zu viel, um es allein tragen zu können. Plötzlich sah Yamazaki, der die Tüten mit beiden Armen umklammerte, wie Kazu eine de riesigen Visitenkarten zückte und sie der Besitzerin der Bäckerei mit den Worten überreichte: »Gestatten Sie, dies ist die Karte meines Mannes. Bitte, vergessen Sie uns nicht.« Yamazaki war bestürzt.
Als sie wieder im Wagen saßen, sagte er: »Ich war eben sehr erstaunt, gnädige Frau. Wissen Sie denn nicht, daß der Besitzer der Bäckerei zur konservativen Partei gehört und Mitglied des Stadtrates ist?«
»Nicht möglich! Davon hatte ich keine Ahnung. Nun, los dann hat es jedenfalls die Wirkung gehabt, den Feind etwas einzuschüchtern.«
»Was wollen Sie mit diesem Haufen Marmeladenrollen anfangen?«
»Wir bringen sie zu einem Waisenhaus im Koto-Bezirk.«
»Waisenkinder haben kein Wahlrecht.«
»Aber die sentimentalen Erwachsenen um sie herum.«
Widerspruchslos begleitete Yamazaki sie zum Waisenhaus, wo er wiederum mit ansehen mußte, wie Kazu an alle möglichen Leute ihre Visitenkarten in Riesenformat überreichte.
Kazu wurde zu einer stadtbekannten Persönlichkeit. Bei allen erdenklichen festlichen Anlässen, bei Wahlen von Schönheitsköniginnen, bei öfentlichen Versammlungen, kurz: überall, wo viele Menschen zusammenkamen, war auch sie. Sie machte Spenden. Sie verteilte Visitenkarten. Sie sang Lieder, wenn sie darum gebeten wurde. Sie erschien sogar bei einer Hausfrauenversammlung in einer Schürze und gewann damit die Herzen dieser einfachen Leute, die viel zu schwerfällig waren, ihren Trick zu durchschauen.
Kazu kritisierte oft, daß sich die Reformpartei nur an die Intellektuellen wandte. Wenn sie hörte, daß die Partei im Koto-Bezirk und im ländlichen Santama wenig Anhänger habe, dann wuchs die Überzeugung in ihr, daß die Herzen, die dort schlugen, nur von ihr, Kazu, erobert werden konnten. »Haben Sie keine Beziehungen zum Santama-Bezirk?« fragte sie Yamazaki häufg.
Eines Tages im Spätfrühling teilte Yamazaki ihr folgendes mit: »Ich habe gehört daß bei Ome im Santama-Bezirk der Grundstein für ein Gefallenendenkma gelegt worden ist. Nun will man noch, zur Erinnerung daran, ein großes Fest im Park feiern, mit Volksliedern und Volkstänzen. Die Tanzlehrerin, die übrigens
aus Ihrer Heimat stammt, möchte Sie gern dazu einladen.«
»Diese Gelegenheit kommt ja wie gerufen! Soll ich wieder eine Schürze umbinden?«
»Ich weiß nicht recht, ob Volkslieder und Küchenschürze zusammenpassen. Aber ich werde mich erkundigen.«
Alles, was Kazu tat – die Teilnahme an den verschiedenen Veranstaltungen, ihre großzügigen Geldspenden – beruhte auf kalter Berechnung. Auch die Güte und Herzlichkeit, mit der sie den Menschen begegnete, diente nur dem einen Zweck: sich ihre Stimmen zu sichern, um die Wahl zu gewinnen. Das allein war ihre Absicht. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß ihr aufopfernder Enthusiasmus ganz natürlich bei einigen Leuten tiefe Rührung hervorrufen würde, und sie machte sich insgeheim darüber lustig, als sie es merkte. Aber als andere ihr Verhalten kritisierten und ihr vorwarfen, sie habe keinen Funken echten
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