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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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schlummernde Larve, um einzuschlafen Noguchis Bett erweckte stets den Eindruck eines Bahnsteigs, über den der Wind fegt. Trotzdem schlief er schneller ein als Kazu.
       Kazus Lager hingegen, der andere Teil des Doppelbettes, schien voller Glut Nicht die Sinnlichkeit, sondern ihre Phantasie ließ Kazus Körper erglühen Manchmal streckte sie verlangend die Hand aus, um das kalte Metall de dunklen Orchidee zu berühren. Das feine Relief der Gravur fühlte sich unte ihren streichelnden Fingerspitzen wie ein kleines, starres, böses Gesicht an.
       ›Ja‹, dachte sie. ›Morgen ist Montag. Morgen muß ich mit Yamazaki sprechen und meine Tätigkeit beginnen.‹

    Dienstag nachmittag um drei Uhr traf sie sich heimlich mit Yamazaki im Teeraum des Shiseido auf der Ginza. Yamazaki beschrieb diese Zusammenkunft in seinem später veröfentlichten Buch Erinnerungen an die Wahl folgendermaßen: »Ich hatte bereits öfte Gelegenheit gehabt, Noguchis Haus zu besuchen, und war angenehm beeindruckt gewesen von dem ofenen und lebhaften Charakter seiner Gattin Aber als ich Frau Noguchi zum erstenmal außerhalb ihres Hauses allein traf und die Treppe zum Teeraum des Shiseido heraufkommen sah, erschien mir diese sonst so lebensvolle, energische Frau wie ein erschreckend einsamer Mensch. Es ist mir eigentlich unerklärlich, warum diese Frau, deren Kopf voller Pläne für den Wahlkampf ihres Mannes steckte, einen so verlassenen Eindruck machte. Als sie zu sprechen begann – wir sprachen über nichts anderes als über die Wahl –, kehrte ihre gewohnte leidenschaftliche Beredsamkeit zurück, und ich war wieder vollkommen überwältigt.«
       Kazu hatte sich alles in ihrem Notizbüchlein notiert, wonach sie Yamazaki fragen wollte; sie schoß ihre Fragen wie Pfeile ab. Bis zur Wahl waren noch etwa sechs bis zehn Monate Zeit, je nachdem, wann der jetzige Gouverneur sein Amt niederlegen würde. Während dieser Zeit wollte Kazu eine Art Vor-Wahlkampf starten, obgleich das gesetzlich verboten war. Selbstverständlich mußte diese Aktion auch vor Noguchi geheimgehalten werden. Sie hatte zu diesem Zweck eine bestimmte Summe Geldes bereitgestellt, sollte diese jedoch nicht ausreichen, so war sie entschlossen, eine Hypothek auf Setsugoan aufzunehmen. Von Yamazaki erbat sie insbesondere konkrete Vorschläge, wie sie einen wirkungsvollen Vorwahlkampf führen konnte, ohne in Konfikt mit dem Gesetz zu geraten.
      Yamazaki gab ihr klare Instruktionen. »Als erstes sollten Sie sich Visitenkarten drucken lassen – in Großformat –, auf denen der Name Ihres Gatten steht.«
       »Gut, das werde ich tun. Würden Sie so freundlich sein und auf dem Heimweg mit mir bei der Druckerei vorbeigehen?« fragte Kazu atemlos.
       »Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was für ein kolossales Unternehmen die Wahl des Gouverneurs von Tokio ist? Nehmen wir einmal an, Sie wollten an allen Telegrafenpfählen der Stadt je zwei Wahlplakate anbringen. Es gibt in Tokio ungefähr hundertfünfzig- bis hundertsechzigtausend Telegrafenpfähle; das heißt: man brauchte dreihunderttausend Plakate. Ein Plakat kostet etwa drei Yen, das wären also neunhunderttausend Yen, das Aufkleben wird pro Stück einen Yen kosten – dann wären es also insgesamt rund eine Million zweihunderttausend Yen. Eine Summe, mit der man bereits eine kleine Wahl fnanzieren könnte.« Yamazaki war immer sogleich mit genauen Zahlen bei der Hand, was ungemein überzeugend auf die Leute wirkte.
       Kazu saß Yamazaki gegenüber und sprach, unbekümmert um die Menschen an den anderen Tischen, mit so lauter Stimme über den geplanten Vorwahlkampf und die Gesetzeslücken, daß Yamazaki sich unruhig umblickte. Er witterte Gefahr und stellte Kazu eine Gegenbedingung: Er würde, was den Wahlfonds und Kazus Tätigkeit beträfe, Noguchi gegenüber Schweigen bewahren; dafür solle sie ihm versprechen, jeden einzelnen Schritt, den sie zu unternehmen beabsichtige, zuvor mit ihm zu besprechen. Kazu erklärte sich damit einverstanden.
       »Wie bin ich froh, daß wir so frei und ofen miteinander sprechen konnten«, meinte Kazu vergnügt und legte die Hand auf ihren Obi. »Man kann nämlich sagen, was man will, aber mein Mann hat keine Ahnung von der japanischen Volksseele. Er liest ausländische Bücher, sitzt ewig in seiner Bibliothek und ist der geborene feine Herr, aber die Gefühle seiner eigenen Magd kann er nicht verstehen. Es ist doch bei euch Intellektuellen immer so, daß ihr nur

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