Nach dem Bankett.
Gefühls in sich und mache alles nur aus Berechnung, wurde sie bitterböse und regte sich darüber auf, daß man ihr so zweifelhafte Beweggründe unterstelle. In diesem einen Punkt war Kazus Psyche erstaunlich kompliziert.
Eines hatte selbst sie nicht vorausgeahnt: daß ihre leicht durchschaubare Taktik, das Volk für ihre Zwecke auszunutzen, merkwürdigerweise dazu führte, daß die Masse sie liebte. Was nur aus Berechnung geschah, wurde vom Volk als eine Art Ehrlichkeit, als eine ganz natürliche Bauernschläue ausgelegt. Was immer auch ihre Beweggründe sein mochten – durch ihre Hingabe und Inbrunst gewann sie das Volk für sich. Kazus ofene Kriegslisten, ihre rücksichtslose Art, die Leute zu betrügen, die schamlosen, ständigen Wiederholungen ihrer Tricks – also gerade ihre Schwächen – ließen die einfachen Leute alle Wachsamkeit vergessen. Je mehr Kazu versuchte, die Leute für sich auszunutzen, desto mehr wurde sie von ihnen geliebt. Mochte man auch schlecht über sie reden, aber überall, wo sie gewesen war, ließ sie wachsende Beliebtheit zurück. Als sie beschloß, in einer Schürze zu der Hausfrauenversammlung im Koto-Bezirk zu gehen, hatte sie das Gefühl gehabt, eine vornehme Dame zu sein, die sich maskiert unter das gemeine Volk mischt. Aber die Augen der Leute sahen schärfer: die Schürze stand Kazu besser als alles andere!
An einem strahlenden Nachmittag im Spätfrühling fuhren Kazu und Yamazaki nach Ome. Die Fahrt dauerte fast zwei Stunden. »Glauben Sie, daß eine Spende von hunderttausend Yen für das Gefallenendenkmal hoch genug sein wird?« fragte sie Yamazaki während der Fahrt und deutete auf ein Päckchen, das, in festes Reispapier eingewickelt, in ihrem Schoß lag.
»Ist es nicht zu viel?«
»Das Denkmal soll ja nicht nur für die Hinterbliebenen von Ome, sondern des
gesamten Bezirks von Santama errichtet werden. Es könnte vielleicht zu wenig sein, aber niemals zu viel.«
»Es ist Ihr Geld. Und Sie können natürlich damit machen, was Sie wollen.«
»Was soll denn nun wieder diese kühle Bemerkung. Mein Geld ist letzten Endes ja auch das Geld unserer Partei.«
Vor einer solchen Loyalität blieb Yamazaki nichts anderes übrig, als seinen Hut zu ziehen. Aber gelegentlich ließ er in letzter Zeit auch ein paar wenig ehrerbietige, ja ironische Bemerkungen fallen.
»Wenn Sie vor dem Fundament des Gefallenendenkmals stehen, werden Ihre Tränen sicher wieder in Strömen fießen.«
»Ja, sicher. Und ganz von allein. Nichts beeindruckt die Leute so sehr wie Natürlichkeit.«
Je näher sie Ome kamen, desto ausgedehnter wurden die Grünfächen am Straßenrand. Herrliche Ulmenhaine waren hier und da in der Landschaf verstreut, und das feine Geäst der grazilen Bäume zeichnete sich scharf und klar gegen das Blau des Himmels ab. Es sah aus, als hätte man Netze vor das Himmelszelt gespannt.
Es war seit langer Zeit das erste Mal, daß Kazu aufs Land fuhr, und sie genoß die Fahrt in vollen Zügen. Immer wieder bot sie Yamazaki von den mitgenommenen Sandwiches an und grif auch selber tüchtig zu. Sie vermißte ihren Mann nich einen Augenblick und fühlte sich ohne ihn keineswegs einsam; aber das lag zweifellos daran, daß ihre heutige Unternehmung nur um seinetwillen geschah Sie fühlte sich ihm geistig stärker verbunden, als wenn er bei ihr gewesen wäre Aber die geistige Verbundenheit, an die Kazu in letzter Zeit hartnäckig glaubte bestand nur noch in ihrer eigenen Phantasie . . .
Ome war eine stille, altertümliche Stadt, die vom Krieg verschont geblieben war. Kazu ließ den Wagen vor dem Rathaus halten und schritt, umringt von den Reportern der Lokalzeitungen, die Yamazaki mobil gemacht hatte, zum Zimme des Bürgermeisters, wo sie ihre Spende für das Denkmal überreichte. Dann wurde beschlossen, daß der stellvertretende Bürgermeister und die Tanzlehrerin aus Kazus Heimat die Gäste zu dem Park begleiten sollten, in dem das Fundamen des Denkmals stand. Sie stiegen alle zusammen in den Wagen und fuhren übe Nebenstraßen durch die Stadt. Schließlich überquerten sie im Norden eine kleine Überführung und kamen auf eine sanft ansteigende Autostraße, die außerhalb der Stadt an einem Berghang entlanglief.
Kazu bewunderte das frische Grün der Bäume an der Straße. Sie hatte es sich angewöhnt, überall wo sie hinkam, die landschaftliche Schönheit der Gegend zu loben, weil sie es für politisch nützlich
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