Nach Dem Sommer
und ich entdeckt zu haben glaubten. Beck saß eine Weile schweigend da und rieb mit dem Finger kleine Kreise an der Seitenwand seiner Tasse. Ausdruckslos starrte er auf die Bücher an der Wand.
Schließlich nickte er. »Das könnte klappen. Aber ich glaube, man müsste ein Mensch sein, wenn man damit infiziert wird, damit es funktioniert.«
»Das hat Sam auch gesagt. Er meinte, wenn man den Wolf töten will, dann sollte man keiner sein, wenn man sich infizieren lässt.«
Beck dachte einen Moment nach, sein Blick wirkte immer noch leer. »Mann, das ist aber ziemlich gefährlich. Man könnte die Meningitis erst behandeln lassen, wenn man sicher ist, dass das Fieber den Wolf getötet hat. Ich habe mal gelesen, dass bakterielle Meningitis eine unglaublich hohe Sterberate hat, selbst wenn sie früh diagnostiziert und sofort behandelt wird.«
»Sam hat gesagt, er würde das Risiko eingehen, dabei zu sterben. Glaubst du, er hat das ernst gemeint?«
»Auf jeden Fall«, erwiderte Beck, ohne zu zögern. »Aber er ist ein Wolf. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass er für den Rest seines Lebens einer bleiben wird.«
Ich senkte den Blick in meine halb leere Kaffeetasse und sah interessiert, dass die Flüssigkeit ganz am Rand eine andere Farbe bekommen hatte. »Ich dachte, wir könnten ihn mit ins Krankenhaus nehmen, nur um zu sehen, ob er sich in der Wärme des Gebäudes verwandelt.«
Beck schwieg, doch ich blickte nicht auf, um seinen Gesichtsausdruck zu sehen.
»Grace«, sagte er sanft.
Ich schluckte und sah weiter in meinen Kaffee. »Ich weiß.«
»Ich beobachte die Wölfe seit über zwanzig Jahren. Es ist immer dasselbe. Irgendwann kommt das Ende und dann ... ist es zu Ende.«
Ich kam mir vor wie ein trotziges Kind. »Aber dieses Jahr hat er sich doch auch verwandelt, obwohl das nicht normal war, oder? Als er angeschossen wurde, hat er sich ganz von sich aus zu einem Menschen gemacht.«
Beck nahm einen großen Schluck Kaffee. Ich hörte, wie seine Finger an die Seite der Tasse trommelten. »Und um dich zu retten. Er ist zum Menschen geworden, um dich zu retten. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat. Oder warum. Aber er hat es geschafft. Ich hab immer gedacht, es hätte was mit Adrenalin zu tun, das den Körper denken lässt, es sei warm. Ich weiß, dass er es noch öfter probiert hat, aber da hat es nie geklappt.«
Ich schloss die Augen und stellte mir Sam vor, wie er mich trug. Ich konnte es beinahe vor mir sehen, ihn riechen, fühlen.
»Verdammt«, sagte Beck und schwieg dann eine ganze Weile. Endlich fuhr er fort: »Genau das würde er wollen. Es zumindest versuchen.« Er trank seinen Kaffee aus. »Ich helfe euch. Wie habt ihr euch das gedacht? Wollt ihr ihn für die Fahrt betäuben oder so?«
Darüber hatte ich tatsächlich die ganze Zeit seit Isabels Anruf nachgedacht. »Müssen wir wohl, oder? Anders würde er das wahrscheinlich nicht überstehen.«
»Benadryl«, sagte Beck nüchtern. »Ich habe oben welches. Das wird ihn müde machen und so weit außer Gefecht setzen, dass er im Auto nicht durchdreht.«
»Das Einzige, was ein Problem werden könnte, ist, ihn hierherzulocken. Ich hab ihn seit dem Unfall nicht mehr gesehen.« Ich wählte meine Worte mit Bedacht. Ich durfte mir nicht zu viel Hoffnung machen. Ich durfte es einfach nicht.
Becks Stimme war fest. »Das kann ich übernehmen. Ich hole ihn. Ich sorge dafür, dass er kommt. Und dann geben wir ihm das Benadryl mit einem Stück Fleisch.« Er stand auf und nahm mir die Kaffeetasse ab. »Ich mag dich, Grace. Ich wünschte, Sam hätte -«
Er hielt inne und legte mir die Hand auf die Schulter. Seine Stimme klang so freundlich, dass mir fast die Tränen kamen. »Es könnte funktionieren, Grace. Es könnte funktionieren.«
Ich sah ihm an, dass er nicht daran glaubte, aber ich sah auch, dass er es wollte. Und für den Augenblick reichte mir das.
Kapitel 59 - Grace (3°C)
D er Boden war mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, als Beck in den Garten ging; seine Schultern wirkten dunkel und eckig unter dem Sweatshirt. Im Haus standen Isabel und Olivia neben mir an der Glastür, bereit zu helfen, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, auf mich selbst gestellt zu sein, als ich zusah, wie Beck langsam in seinen letzten Tag als Mensch hinausging. In einer Hand hielt er einen roten Klumpen, rohes Fleisch mit Benadryl, die andere zitterte unkontrolliert.
Ungefähr zehn Meter vom Haus entfernt blieb Beck stehen, ließ das Fleisch auf den Boden fallen und
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