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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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zu tun. Sie war noch nicht gebissen worden und niemand konnte vorhersehen, wie Sam auf das Ganze reagieren würde.
    Gemeinsam hoben wir ihn hoch und schleppten ihn zur Klinik. Isabel trat gegen die Tür, die schon einen Spaltbreit offen stand. »Die Behandlungszimmer sind da hinten. Schließ ihn in einem davon ein und dann kümmern wir uns zuerst um Olivia und Jack. Vielleicht verwandelt er sich ja zurück, wenn er lange genug im Warmen ist.«
    Das war eine unheimlich gut gemeinte Lüge von Isabel; wir beide wussten, dass er sich ohne ein Wunder wohl nicht verwandeln würde. Das Einzige, worauf ich hoffen konnte, war, dass Sam falsch gelegen hatte - dass ihn die Spritze nicht töten würde, wenn er ein Wolf war. Ich folgte Isabel zu einer kleinen, vollgestellten Abstellkammer, die irgendwie medizinisch und gummiartig roch. Olivia und Jack warteten schon dort, die Köpfe zusammengesteckt, als unterhielten sie sich, was mich überraschte. Als wir hereinkamen, hob Jack den Kopf.
    »Ich halte diese Warterei nicht mehr aus«, beschwerte er sich. »Können wir das verdammt noch mal nicht endlich hinter uns bringen?«
    Mein Blick fiel auf einen Behälter mit alkoholgetränkten Tüchern. »Soll ich seinen Arm desinfizieren?«
    Isabel sah mich vernichtend an. »Wir infizieren ihn vorsätzlich mit Meningitis. Irgendwie sinnlos, sich über eine Infektion der Einstichstelle Sorgen zu machen, oder?«
    Nichtsdestotrotz tupfte ich seinen Arm ab, während Isabel eine Spritze voller Blut aus dem Kühlschrank nahm.
    »Oh Gott«, flüsterte Olivia, die den Blick nicht von der Spritze wendete.
    Wir hatten keine Zeit, sie zu beruhigen. Ich nahm Jacks kalte Hand und drehte sie so, dass die Handfläche nach oben zeigte, wie es die Krankenschwester bei unserer Tollwutimpfung auch gemacht hatte.
    Isabel sah Jack an. »Und du bist sicher, dass du das willst?«
    Er fletschte die Zähne. Man konnte seine Angst riechen. »Mach schon.«
    Isabel zögerte; es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, warum.
    »Ich mach's«, sagte ich zu ihr. »Mir kann er nichts anhaben.«
    Isabel gab mir die Spritze und wich zur Seite. Ich trat an ihren Platz. »Guck woandershin«, befahl ich Jack. Er wandte den Kopf ab. Ich stach die Nadel ein und schlug ihm dann mit der freien Hand ins Gesicht, als er wieder zu mir herumfuhr. »Reiß dich zusammen!«, schnauzte ich ihn an. »Du bist kein Tier.«
    »Entschuldige«, flüsterte er.
    Ich drückte die Spritze ganz herunter und versuchte, dabei nicht zu sehr über ihren blutigen Inhalt nachzudenken, dann zog ich die Nadel heraus. An der Einstichstelle war ein roter Punkt; ich wusste nicht, ob es Jacks Blut war oder das infizierte Blut aus der Spritze. Isabel starrte und starrte auf die Stelle, also drehte ich mich um, schnappte mir ein Pflaster und klebte es darauf. Olivia stöhnte leise auf.
    »Danke«, sagte Jack. Er schlang die Arme um sich. Isabel sah aus, als sei ihr schlecht.
    »Gib mir einfach die nächste«, sagte ich zu Isabel. Isabel reichte sie mir und wir wandten uns Olivia zu, die so bleich war, dass eine Ader an ihrer Schläfe durchschien; ihre Hände bebten vor Aufregung. Diesmal tupfte Isabel den Arm ab. Es war, als gäbe es da eine unausgesprochene Regel, die besagte, dass wir beide uns nützlich fühlen mussten, um diese schreckliche Aufgabe überhaupt zu bewältigen.
    »Ich hab's mir anders überlegt«, rief Olivia. »Ich will das nicht machen! Lieber finde ich mich damit ab!«
    Ich griff nach ihrer Hand. »Olivia. Olive, beruhige dich.«
    »Ich kann nicht.« Olivias Blick lag auf dem dunklen Rot der Spritze. »Ich kann nicht sagen, dass ich lieber sterben würde, als so zu sein.«
    Darauf wusste ich nichts zu erwidern. Ich wollte sie nicht dazu überreden, etwas zu tun, was sie umbringen konnte, aber ich wollte auch nicht, dass sie es allein aus Angst nicht tat. »Aber dein ganzes Leben - Olivia.«
    Olivia schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, das ist es nicht wert. Lasst es Jack versuchen, aber ich bleibe lieber so. Wenn es bei ihm funktioniert, versuche ich es vielleicht. Aber ich ... ich kann nicht.«
    »Du weißt aber schon, dass es beinahe November ist, oder?«, fragte Isabel spitz. »Draußen ist es eiskalt! Bald verwandelst du dich für den Winter und dann haben wir bis zum Frühling keine Gelegenheit mehr dazu.«
    »Lasst sie doch einfach warten«, fuhr Jack dazwischen. »Das ist doch nicht weiter schlimm. Besser, ihre Eltern glauben ein paar Monate lang, sie sei verschwunden, als dass sie

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