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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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riechen würde, aber Becks kraus gezogene Nase bewies das Gegenteil. »Ich bin angeschossen worden.«
    Beck hob die Hand vor den Mund und sprach durch seine Finger. »Verdammt. Wo? Doch wohl nirgends, dass es mir peinlich sein müsste zu fragen, oder?«
    Ich deutete auf meinen Hals. »Nirgends, wo es auch nur annähernd so spannend wäre.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    Meinte er, ob mit uns alles in Ordnung war? Ob jemand von uns wusste? Es gibt da ein Mädchen. Sie ist wundervoll. Sie weiß es, aber sonst ist alles in Ordnung. Ich probierte die Worte in meinem Kopf aus, aber es gab einfach keine Möglichkeit, sie so klingen zu lassen, als sei das alles kein Problem. Ich hatte Beck immer noch im Ohr, wie er mir wieder und wieder erklärte, dass wir unser Geheimnis niemandem anvertrauen durften. Also zuckte ich nur mit den Schultern. »Alles in Ordnung, ja, soweit man bei uns davon sprechen kann.«
    Und dann traf mich der Gedanke wie ein Blitz: Er würde Grace im Haus wittern können.
    »Mensch, Sam«, sagte Beck. »Warum hast du mich nicht angerufen? Als du angeschossen wurdest?«
    »Ich hab deine Nummer doch gar nicht. Die von deinem aktuellen Handy.« Wir besorgten uns jedes Jahr neue Handys, weil wir sie den Winter über ja nicht brauchten.
    Wieder warf er mir einen Blick zu, der mir nicht gefiel. Sorge. Nein, Mitleid. Ich tat so, als würde ich es nicht bemerken.
    Beck kramte in seiner Hosentasche und zog ein Handy heraus. »Hier, das kannst du haben. Hat Salem gehört. Der braucht es jetzt wohl nicht mehr.«
    »Einmal bellen heißt Ja, zweimal heißt Nein?«
    Beck grinste. »Genau. Meine Nummer ist jedenfalls schon gespeichert. Aber benutz es auch. Du musst noch ein Ladegerät kaufen.«
    Ich hatte das Gefühl, dass er mich als Nächstes fragen wollte, wo ich gewesen war, und darauf wollte ich ihm nicht antworten müssen. Also wies ich mit dem Kinn auf den Tahoe. »Woher kommt denn der ganze Dreck? Und wieso wart ihr überhaupt in Kanada?«
    Ich klopfte mit der Faust an die Seite des Wagens und zu meiner Überraschung klopfte es von innen zurück. Es war mehr wie ein Stoß. Ein Tritt. Ich hob eine Augenbraue. »Ist Salem da drin?«
    »Der ist wieder im Wald. Hat sich in Kanada verwandelt, der Mistkerl. Ich musste ihn so, wie er war, wieder mitnehmen und ich sage dir, der haart wie sonst was. Und weißt du was? Ich glaube langsam wirklich, der hat sie nicht alle.«
    Beck und ich lachten - als ob das was Neues gewesen wäre.
    Ich sah wieder auf die Stelle am Wagen, wo ich den Stoß gespürt hatte. »Also, was rumpelt da drin?«
    Beck zog die Augenbrauen hoch. »Die Zukunft. Willst du mal sehen?«
    Ich zuckte mit den Schultern und trat einen Schritt zurück, sodass er eine der Seitentüren aufmachen konnte. Falls ich wirklich davon ausgegangen war, irgendwie auf den Anblick dessen, was sich in dem Auto befand, vorbereitet zu sein, hatte ich meilenweit danebengelegen.
    Die Rücksitze waren zurückgeklappt, damit mehr Platz im Inneren des Autos war, und in diesem erweiterten Kofferraum lagen drei Menschen. Einer saß aufrecht, gegen die Rückseite eines Vordersitzes gelehnt, einer hatte sich zu einer Kugel zusammengerollt und der dritte lag gekrümmt direkt neben der Tür. Alle waren sie an den Händen mit Kabelbinder gefesselt.
    Ich starrte zu ihnen hinein, und der Junge, der an den Sitz gelehnt saß, starrte zurück, seine Augen blutunterlaufen. Er war so alt wie ich, vielleicht ein bisschen jünger. Seine Arme waren rot verschmiert und erst jetzt fiel mir auf, dass das auch für den Rest des Wagens galt. Und dann konnte ich sie auch riechen: den metallischen Gestank von Blut, die schweißige Note von Angst und den erdigen Geruch, der zu dem Schlamm passte, mit dem der Wagen von außen bedeckt war. Und Wolf. Überall Wolf. Beck, Salem - und unbekannte Wölfe.
    Das Mädchen, das sich zusammengerollt hatte, zitterte, und als ich den Jungen, der aus der Dunkelheit zu mir herausstarrte, genauer betrachtete, sah ich, dass auch er schlotterte, während er seine Finger immer wieder neu zu einem Knoten der Angst wand.
    »Hilfe«, flüsterte er.
    Ich wich zurück, bis ich mitten auf der Straße stand, meine Knie fühlten sich weich an. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, dann ging ich wieder zum Auto, starrte sie weiter an. Die Augen des Jungen flehten.
    Ich war mir vage bewusst, dass Beck neben mir stand und mich beobachtete, doch ich konnte einfach nicht aufhören, zu ihnen hineinzustarren. Meine Stimme klang überhaupt

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