Nach Dem Sommer
ein Bild von einem Fuchs betrachtete, der unter einem geparkten Auto hervorspähte. Dann fragte sie: »Trägst du Kontaktlinsen?«
Diese Frage hatte ich schon so oft gehört, dass ich mich nicht einmal mehr fragte, wie viel Mut es wohl gekostet hatte, sie zu stellen. »Nein.«
»Ich habe gerade eine ganz schlimme Malblockade. Ich würde unheimlich gern kurz ein Porträt von dir malen.« Sie lachte. Es klang verlegen. »Darum habe ich dich auch vorhin so angeglotzt, als wir unten waren. Ich habe einfach nur gedacht, dass du ein wunderbares Modell für eine Farbstudie abgeben würdest, mit deinen schwarzen Haaren und diesen Augen. Du erinnerst mich irgendwie an die Wölfe bei uns im Wald. Hat Grace dir von ihnen erzählt?«
Ich versteifte mich. Das war zu nah dran, ich hatte das Gefühl, sie wollte mich aushorchen, besonders nach unserer Begegnung mit Olivia. Mein Wolfsinstinkt drängte mich sofort zur Flucht. Die Treppen hinunterrennen, die Tür aufreißen und in der Dunkelheit verschwinden. Ich brauchte ein paar Augenblicke, um den Impuls, mich aus dem Staub zu machen, niederzukämpfen und mir einzureden, dass sie es einfach nicht wissen konnte und dass ich zu viel in ihre Worte hineininterpretierte. Und noch einen Augenblick, bis mir bewusst wurde, dass ich schon viel zu lange hier stand, ohne etwas zu sagen.
»Oh - du sollst dich aber nicht unwohl dabei fühlen.« Ihre Worte überschlugen sich beinahe. »Du musst mir nicht Modell sitzen. Ich weiß, dass manchen Leuten das ziemlich unangenehm ist. Außerdem möchtest du sicher bald wieder runter zu Grace.«
Ich hatte das Gefühl, meine Unhöflichkeit wiedergutmachen zu müssen. »Nein - nein, das ist okay. Ich meine, ja, ich würde mich wirklich ein bisschen unwohl fühlen. Kann ich irgendwas machen, während Sie mich malen? Ich meine, sodass ich nicht einfach nur rumsitzen und in die Gegend starren muss?«
Sie rannte buchstäblich zu ihrer Staffelei. »Ja! Natürlich. Warum spielst du nicht was auf der Gitarre? Ach, das wird großartig. Danke! Du kannst dich da drüben hinsetzen, ins Licht.«
Während ich den Gitarrenkoffer holte, lief sie in ihrem Atelier hin und her, brachte mir einen Stuhl, richtete die Spots über mir aus und hängte ein großes gelbes Tuch an die Wand, damit meine eine Gesichtshälfte wie in goldenes Licht getaucht war.
»Muss ich stillhalten?«
Sie winkte mir mit einem Pinsel zu, als würde das meine Frage beantworten, dann lehnte sie eine neue Leinwand gegen die Staffelei und drückte ein paar Häufchen schwarze Farbe auf eine Palette. »Nein, nein, spiel einfach.«
Also stimmte ich die Gitarre, setzte mich in das goldene Licht und begann zu spielen und leise meine Lieder zu summen. Dabei dachte ich daran, wie oft ich auf Becks Sofa gesessen und für das Rudel gespielt hatte, und an Paul, der mich auf seiner Gitarre begleitet hatte und mit mir zusammen die Harmonien sang. Im Hintergrund hörte ich das Kratzen des Spachtels und das Wischen des Pinsels auf der Leinwand, und ich fragte mich, was sie wohl mit meinem Gesicht anstellte, während ich nicht hinsah.
»Du summst ja«, bemerkte sie. »Singst du manchmal auch?«
Ich brummte zustimmend, während ich gedankenverloren die Saiten zupfte.
Ihr Pinsel bewegte sich ununterbrochen weiter. »Sind das deine eigenen Lieder?«
»Hmhm.«
»Hast du auch eins für Grace geschrieben?«
Ich hatte Tausende von Liedern für Grace geschrieben. »Ja.«
»Darf ich es hören?«
Ich hörte nicht auf zu spielen, leitete nur vorsichtig in eine DurTonart über. Zum ersten Mal in diesem Jahr sang ich laut. Es war das fröhlichste Lied, das ich je geschrieben hatte, und zugleich das einfachste.
I fell for her in summer, my lovely summer girl. From summer she is made, my lovely summer girl. I'd love to spend a winter with my lovely summer girl. But I'm never warm enough for my lovely summer girl.
It's summer when she smiles, I'm laughing like a child. It's the summer of our lives; we'll contain it for a while. She holds the heat, the breeze of summer in the circle of her hand. I'd be happy with this summer if it's all we ever had.
Sie sah mich an. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Sie hielt mir ihren Arm hin. »Ich hab Gänsehaut.«
Ich legte die Gitarre vorsichtig auf den Boden, sodass die Saiten keinen Ton von sich gaben. Auf einmal schien es mir wichtiger als alles andere, meine Zeit, so kurz und so kostbar, mit Grace zu verbringen.
Und in dem Moment, als ich diese Entscheidung traf,
Weitere Kostenlose Bücher