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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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gedämpft. Sie war schon in der Küche und durchwühlte geräuschvoll den Kühlschrank. Das Essen beim Brunch schien nicht besonders gut gewesen zu sein. »Wer ist Sam?«
    »Mein Freund.«
    Zusammen mit Mom kam ihre allgegenwärtige Wolke von Terpentindämpfen ins Wohnzimmer; ihre Unterarme waren mit Farbe verschmiert. So wie ich Mom kannte, hatte sie sie bestimmt mit Absicht nicht abgewaschen, bevor sie ausgegangen waren. Sie blieb
    neben Dad stehen. Skeptisch sah sie von mir zu Sam und wieder zurück zu mir.
    »Mom, das ist Sam. Sam, meine Mom.«
    Ich konnte riechen, dass zwischen den beiden irgendwelche Emotionen aufwallten, aber ich konnte nicht genau sagen, welche. Mom starrte Sam in die Augen, sie starrte und starrte, und Sam wirkte wie festgenagelt. Ich stieß ihn mit dem Ellbogen an.
    »Schön, Sie kennenzulernen«, sagte er tonlos.
    »Mom«, zischte ich. »Mom. Erde an Mom.«
    Man konnte ihr zugutehalten, dass sie leicht verlegen wirkte, als sie endlich aus ihrer Starre erwachte. Entschuldigend sagte sie zu Sam: »Dein Gesicht kommt mir so bekannt vor.« Ja. Genau. Als ob nicht jedes Kind gemerkt hätte, dass das nur eine fadenscheinige Entschuldigung dafür war, dass sie ihn so angestarrt hatte.
    »Vielleicht aus dem Buchladen in der Stadt? Da hab ich mal gearbeitet.« Sams Stimme klang hoffnungsvoll.
    Mom wies mit dem Zeigefinger auf ihn. »Das wird's sein.« Dann strahlte sie, knipste wieder mal ihr Hundertwattlächeln an, um jeden sozialen Fauxpas auszugleichen, den sie soeben begangen haben mochte. »Ich freue mich auch, dich kennenzulernen. Ich gehe dann mal nach oben und arbeite ein bisschen.« Sie streckte ihm ihre farb-beschmierten Arme hin, um zu verdeutlichen, was sie mit »arbeiten« meinte, und ich fühlte, wie mich kurz der Ärger durchzuckte. Ich wusste, dass die Flirterei bei ihr nur Gewohnheit war, ein reflexartiges Verhaltensmuster gegenüber jedem unbekannten männlichen Wesen, das die Pubertät erreicht hatte. Aber trotzdem. Werd langsam mal erwachsen!
    Sam überraschte mich, indem er sagte: »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne mal Ihr Atelier sehen, während ich hier bin. Grace hat mir ein bisschen was über Ihre Bilder erzählt und jetzt würde ich sie so gerne auch mal sehen.« Das stimmte nur zum Teil. Ich hatte ihm von einer grauenhaften Ausstellung von ihr erzählt, bei der ich gewesen war. Die Gemälde waren alle nach Wolkentypen benannt, zeigten aber Frauen in Badeanzügen. Mit »tiefsinniger« Kunst konnte ich nichts anfangen. Ich kapierte sie einfach nicht. Ich wollte sie nicht kapieren.
    Moms Lächeln erinnerte mich ein bisschen an Plastik. Wahrscheinlich dachte sie, mit Sams Kunstverständnis sei es genauso weit her wie mit meinem.
    Misstrauisch sah ich Sam an. Diese schleimerische Art passte so gar nicht zu ihm. Nachdem Mom nach oben und Dad in seinem Büro verschwunden war, fragte ich ihn: »Bist du Masochist?«
    Wir wandten uns wieder dem Fernseher zu und konnten gerade noch sehen, wie eine Frau von etwas mit Tentakeln gefressen wurde. Alles, was übrig blieb von diesem Angriff, war ein unecht aussehender abgetrennter Arm auf dem Bürgersteig.
    »Ich hab nur das Gefühl, dass es nicht schaden kann, wenn sie mich mag.«
    Sam nahm ein Sofakissen, schlang seine Arme darum und drückte sein Gesicht hinein. Gedämpft drang seine Stimme daraus hervor: »Kann sein, dass sie es ganz schön lange mit mir aushalten muss, weißt du?«
    »Wie lange?«
    Sein Lächeln war unglaublich süß. »Am längsten.«
    »Für immer?«
    Sams Mundwinkel hoben sich, doch über diesem Lächeln wurden seine gelben Augen traurig, als wüsste er, dass es eine Lüge war. »Länger.«
    Ich rückte so nah wie möglich an ihn heran und kuschelte mich in seinen Arm, und so sahen wir weiter dem Tentakelalien dabei zu, wie er langsam durch das Abwassersystem einer nichts ahnenden Stadt kroch. Sams Augen huschten über den Bildschirm, als interessierte er sich wirklich für den aussichtslosen intergalaktischen Kampf dort; ich aber saß da und versuchte zu verstehen, warum Sam sich verwandeln musste und ich mich nicht.

  Kapitel 35 - Sam (9°C)
    A ls der Sci-Fi-Streifen zu Ende war (die Welt war gerettet, aber die Zahl der zivilen Opfer hoch), saß ich mit Grace an dem kleinen Tisch nahe der Verandatür und sah ihr eine Weile dabei zu, wie sie ihre Hausaufgaben machte. Ich war unvorstellbar müde -das kalte Wetter nagte an mir wie ein Schmerz, auch wenn es mich nie so fest zu fassen bekam, dass ich

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